Vorwort
Ja Manche mögen mich verteufeln dafür wie
ich den Jakobsweg angegangen bin ;)
Heheheheh, der Bikerschreck der eigentlich nur soo zum Spaß den Camino abradeln wollte um zu sehen was denn nun hinter diesem Pilgerweg steckt.
Andere haben den Kerkeling gelesen und werden meinen Blog auch hassen, und gute Christen sollten sofort aufhören zu lesen.
Ich weiss, es ist ein halber Roman geworden, aber manche schreiben ja ganze Bücher
darüber ohne nur die Hälfte davon erlebt zu haben. OK ich bin eigentlich auch nicht der Mensch der überhaupt schreibt ;)
Auf jeden Fall hatte ich meinen Spaß mit diesem Camino. Camino, was eigentlich nur Weg auf spanisch heißt: -Bon Camino das wird der Schlachtruf aller Pilger um mich herum für die nächsten 800
Kilometer und ich kann’s zum Ende fast nicht mehr hören. Ich bin einen ganz anderen Weg als vorgesehen abgeradelt. Das ganze fing nach einer Horror Zahn OP vollgepumpt mit Antibiotika an. Es dauert
ein paar Tage, ehe ich wieder voll auf dem Dampfer bin, dann aber Vollgas, mit angezogener Bremse vorwärts. Ja und auf den letzten 300 Kilometern hat der Camino-Effekt voll bei mir eingeschlagen, und
ich wurde langsamer und langsamer bis ich Tempo Stopp erreiche. Ich habe mich immer mehr auf die Pilger eingelassen, mit denen ich dann so manch einen spaßigen Tag und lustige Abende verbrachte.
Abenteuer zu Fuß, Rad und Pferdchen, im Zelt bei Frost und mal wieder im Regen, in riesen Herbergen mit Schnarchnasen und den Nachtschichtpilgern, die um vier morgens anfangen ihre Sachen zu packen,
rumkruscheln, alle wecken die noch schlafen, oder auch mal als Vagabund in einem der vielen nicht fertiggestellten Häusern und in Strohlagern genächtigt. Wie in diesem Moment auf der Dachterrasse
einer dieser unfertigen Hausruinen mit phantastischem Blick aufs den Atlantik. Jetzt inFinisterreangekommen, dem Ende der Welt und des Jakobswegs.
Wie immer habe ich doppelt soo lange gebraucht wie veranschlagt - dabei hatte ich dieses mal eigentlich schon viel, viel mehr Zeit mit eingerechnet. Aber jetzt von Anfang an:
der Jakobsweg
Es war ein Mittwoch Nachmittag der 10. Oktober an dem ich nachmittags
inSan Sebastiánankam und es ist wieder Mittwoch
der 17. Oktober an dem ich diesen Ort verlasse.
Die Tage verfliegen schneller als ich denken kann. Es ist gerade einmal ein Tag her das ich fast drei Stunden auf einem Zahnarztstuhl verbracht habe. Inzwischen saß ich sogar schon wieder ein paar
Stunden auf Biki und bin hoch in die Berge Richtung Pamplona gestrampelt.
Auch wenn ich noch etwas Durchfall habe und die Antibiotika mich etwas schlappe machen, ich fühle mich relativ gut.
Habe sogar am Ende des Tages den Einstieg in einen der vielen Jakobswege gefunden, und fernab jeden Verkehrs zieht sich der Pfad den Berg entlang eines Bergbachlaufes hoch.
Wenn der Jakobsweg soo weitergeht dann werde ich ihn lieben. Ein super zu befahrender Feld - Waldweg in einer spannenden Landschaft
Wind der da um mich weht und alles wieder wegbläst aber der ist normal für die Gegend. Dafür ist die Temperatur wieder weit über 20 Grad angestiegen und sogar jetzt nach 22 Uhr noch angenehm warm in den Bergen; ich kann sogar mit offenem Schlafsack schlafen.
Zweiter Tag; ein ganz gemächlicher Anstieg auf einem phantastischen Trail den ich bis nachmittags folge - einfach nur genial. Vermutlich eine alte Eisenbahnstrecke. Wer baut ansonsten derart viele Tunnel, teilweise stockdunkel, andere wiederum haben ein Beleuchtungssystem. Immer wieder mal was anderes. Es sind über vierzig Tunnel und die welche länger sind haben meist ein mehr oder weniger gut funktionierendes Beleuchtungssystem. Jeder etwas anderst. Anfangs ist es bei längeren Tunnel einfach eine Orange Lampen an der Seite. Später muss man alle 100 Meter einen Lichtschalter betätigen, es dauert eine Weile bis die Lampen volle Leistung haben. Beim letzten und allerlängstem Tunnel sind es Bewegungsmelder. Alle 100 Meter weiter springt die Lampe im nächsten Teil des Tunnels an. Mittendrin ähnelt er einer Tropfsteinhöhle, an den Wänden hat sich schon eine mehrere Zentimeter starke Kalkschicht gebildet, schon echte Stalagmiten und Titen die da wachsen und die toll glänzen. Er hat aber auch etwas unheimliches, an vier Stellen funktioniert der Bewegungsmelder nicht und so taste ich mich nur mit meinem Rücklicht bewaffnet langsam voran. Hätte ja eine Stirnlampe, aber die ist in der linken Vordertasche tief vergraben.
Ja und bei drei weitern Tunneln zwischen drin hatte ich das auch schon praktiziert, da ging die Beleuchtung auch schon nicht und die waren so lang beziehungsweise gingen so um die Ecke das man das andere Ende eben nicht sehen konnte.
Aber der Weg bestand ja nicht nur aus Tunneln. Nein, eine verträumte Schotterstraße für den Verkehr gesperrt, links und rechts Kastanienbäume und zwei verlassene Dorfruinen.
Das ganze einem Bach Tal nach oben folgend durch lauter Kastanien die den Weg säumten.
Weiter oben Weideflächen für Kühe und schüfe, kleine verlassene Dorfruinen. Oben am letzten Tunnel angekommen verlasse ich diesen Camino. Jetzt meist abwärts auf kleinen Seitenstrang Richtung Burgos.
Starker Wind und eine leichte Berg und Talfahrt. Auf der Südseite der Pyrenäen ein ganz anders Bild: frisch gepflügte ockerbraune Felder. Eine Ecke weiter vor mir Irun Pamplona. Im Vorstadtbereich kaufe ich ein, es ist acht Uhr und dunkel. Schlage mich weit oben auf den Stadtberg und baue mein Nachtlager zwischen Kiefernbäumen auf. Der Wind pfeift und haut die Äste nach unten. Hoffe mein Zelt bleibt unversehrt. Ich putze meine Zähne, da kommt noch ein letzter Jogger mit Husky, der natürlich als erstes gegen mein Zelt pisst - Grrrr.
Ich Liebe Hunde viel zu sehr, um ihm böse zu sein, rede etwas mit dem Herrchen das ein paar brocken englisch kann und verkrieche mich müde ins Zelt.
Es nieselt am morgen aber he, ich bin Optimist. Mit Regenjacke koche ich meinen letzten Kaffee mit den Senseopads. Schade das ich hier in Spanien wohl keine mehr bekomme. Die Idee war einfach klasse: im sprudelndem Topf die Pads mit einem Löffel runterzudrücken und von den Blubberblasen durdringen lassen. Drei Pads auf ein Viertel Liter Wasser, das gibt einen ordentlichen Kaffee für den ich sogar von einem Barista gelobt wurde. Aber he, da hatte ich schon so viele Kaffeevarianten um mich morgens zu dopen. Im Outback lies ich einst eine halbe Packung Kaffeepulver und zwei Liter Wasser in einer Plastikflasche außen am Rad für drei, vier Tage gären; von der Sonne in der Wüste aufgeheizt und hatte so meinen Turbo Espresso.
Aufgewärmt und munter durch den Kaffee runter nach Pamplona. Am Fuße der Stadtmauer; die City 20 bis 30 Meter über mir. Eine Mischung aus Bergbahn und Aufzug ziehen mich in die Oberstadt - so einfach kann man die 20 Höhenmeter überwinden; und stecke mitten in der Altstadt Pamplonas. Das ganze erinnert mich so ein bisschen an den Altstadtaufzug in Marburg.
Mitten im Herzen Pamplonas, der Stadt des Stierkampfs im Tomatenrausch.
Jetzt auf den Spuren des Camino Franzisco, dem traditionellstem Jakobsweg. Der Weg ist nicht mehr zu übersehen. Wo geht’s lang - etwa da wo alle fünf Meter eine Muschel im Boden eingelassen ist aber was machen dann die ganzen gelben Pfeile??? Ah, jetzt ja! Wer sich hier verläuft hat Tomaten auf den Augen; alle fünf Meter die Muschel als Zeichen für den Jakobsweg im oft aufwendigst in die Marmorsteinplatten eingelassen, an allen Hauswänden und Straßenschildern gelbe Pfeile. Interessiert mich erstmal nicht, es pisst und ich such das Touri Office um mich ein bisschen zu organisieren und nach Radläden zu fragen. Das Touristenoffice im Gegensatz zum Jakobsweg absolut mangelhaft ausgeschildert. Ich bin drei mal durch die Stadt gepilgert und stand zwei Mal quasi davor. Nur eine Riesige Bronzestatue dazwischen und ich habe es nicht gesehen. Ich brauche Bremsbeläge, meine sind vorne im negativem Bereich, da schleift schon Metall an der Scheibe.
Ein kleine Odyssee mit lauter guten Ideen. Die Touri-Office Lady meint im Intersport um die Ecke hätte es vielleicht was, und wenn nicht gäbe es da weiter draußen noch einen größeren. Zum Intersport 200 Meter weiter, drei Stockwerke obendran eine Verkäuferin die so gut englisch spricht wie ich am Ende der fünften Klasse. Aber super hilfsbereit ;) Dank Google und Übersetzungsprogramm kommen wir zu dem Punkt wo es Interessant wird. Magura Bremsen. Sie ruft die Filiale außerhalb der Stadt an und nachdem sie dem dort ungefähr erklärt hat was ich will, behauptet er nur für die MT2 Bremsbeläge zu haben, die MT 4 und so weiter kennen die nicht. Aber da ich die Bremsbeläge die ich fahre, gerade aus einer MT2 ausgebaut habe bin ich mir zu 100 Prozent sicher daß das die passenden Beläge sind.
So lasse ich mir die Adresse aufschreiben und ungefähr auf dem Stadtplan zeigen wo der Intersport ist. Auf jeden fall eine ganze ecke weit draußen. Auf halber Strecke raus am Stadtrand ein Platzregen so das es sich noch nicht einmal mehr lohnt die richtige Regenjacke rauszuholen. Wie ein nasser Pudel zitternd stehe ich im zweiten Intersport Pamplonas.
Jetzt verstehe ich auch warum die MT2 Bremsbeläge haben. Hier stehen jede Menge deutscher Focus Räder rum an denen teilweise eine Marta MT2 verbaut ist. Klar, wenn man Räder mit so einer Bremse führt sollte man auch Bremsbeläge dazu haben. Auch wenn es irgendeine Noname Kopie ist; ich brauche diesen Stoff zum Bremsen. Kaufe zwei Paar und wieder raus in die Kälte. 100 Meter weiter ein McDonalds - ich könnte ja langsam ein Fan von dem Laden werden ;) Ein Euro der Kaffee, free Toiletpaper und Internetzugang. Ich zieh mir warme Klamotten an und im Kinderturnsaal hänge ich mein nasses Zeug auf. Mit Laptop im Bällchenbad. Das ging zwei stunden gut bis eine Horde Minis kamen.
Bis ich wieder etwas aufgewärmt zurück in Pamplona bin ist es Nachmittag. Der Regen hat nachgelassen und jetzt sind sie da: Pilger überall! Super und es scheint auch günstige Schlafplätze zu geben im Kloster und ein stück weiter für 7 Euro. Der Tipp von zwei Engländern ist eine deutsche Herberge für 6 Euro.
He, wenn man sich nass und kalt fühlt, ein Schwimmbecken als Zelt hat dann zögert man nicht allzu lange. OK, es dauert noch eine halbe Stunde bis ich mich von der Gruppe losreisen kann um noch einen Schlafplatz zu finden, mittlerweile haben wir uns für abends verabredet. Ich steuer als erstes die Pilgerstätte der Paderborner an. Dort suupernett empfangen, bekomme Kaffee und Kuchen und meinen ersten Pilgerausweis, leider ist die Bude schon voll.
Wieder hoch ins Stadtzentrum an den Ort wo fast alle unterkommen. Neben der Kathedrale hängt eine Riesenmuschel als Zeichen der Massenunterkunft. So ziemlich anonym und unpersönlich, ein Bett in einem langen Flur zugewiesen; Dreiunddreißig, Vierunddreißig, Fünfunddreißig. Ganz schön viele Pilger hier, dafür daß das Wetter eher bescheiden ist. Hier gibt’s weit über hundert betten. Dafür sind die Duschen schön warm, Internet mehr als unverschämt teuer, kein Wi-Fi, nur feste Rechner die 2 Euro für 20 Minuten wollen und in der Küche für die ganzen Leute kein einziges Messer und drei Töpfe. Gut das ich meinen eigenen Kram habe. Aber die 34 Pilger die vor mir ein Bett gefunden haben scheinen nett zu sein.
Bis ich zu meiner Verabredung in der Stadt komme habe ich mich schon richtig warm geredet. Eine Österreicherin Mitte fünfzig die noch länger als ich unterwegs ist und tatsächlich von Red Bull Country bis hierher alles abgestiefelt ist. Sie ist auch diejenige mit dem kleinsten Rucksack unter allen. Engländer, Kanadier die jetzt schon wieder aufgeben, keine 90 Kilometer hinter Saint-Jean-Pied-de-Port. Ausgangspunkt der allermeisten Pilger. Wegen Knieproblemen können viele nicht mehr und wollen schon nach dem dritten Tag Heim. Es wird viel Wein getrunken und bis ich zu meiner Verabredung Downtown komme sind die schon wieder fast alle weg. Was ein treiben in Pamplona. Tagsüber die Touris und am Abend das wahre Leben fas wie die Ludwigstrasse an Fasching; überall stehen vor den Bars Weinfässer als Tische umlagert von Menschen zwischendrin spielen Kids Fußball oder quälen Katzen.
Nur noch Lena ist da, ein Junges Madal aus Deutschland die aber gar nicht für den Jakobsweg hier in Pamplona ist. Sie hat eine WWOOF-ing Farm und will ein bisschen spanisch lernen. So ziehen wir zu zweit etwas durch die Straßen und lassen uns in irgendeiner Bar nieder und quatschen bis es Zeit für mich ist in meine Herberge zu kriechen, da ist nämlich um 11 Uhr Zapfenstreich.
Ab 6 Uhr morgens dann immer wieder lustige Weckgesänge aus Quietscheboxen um die Pilger zu nerven. Um Acht wird man rausgetreten. Bis dahin habe ich gut gefrühstückt und eine neue Art Espresso-Hallowach-Technik entwickelt. Es gibt nicht nur keine Messer, von den drei vorhanden italienischen Espresso Maschinen hat nicht eine einen Einsatz für den Kaffee. So kippe ich wohl etwas viel Kaffeepulver das da rumstand unten in den Behälter und fülle da noch sooo viel Wasser wie da eben reinpasst hinein. Viel war’s nichtmehr. Was dann oben rauskam war schon fast dickflüssig.
Hat mich aber gut wach gemacht. Zusammen mit einem walisischem Pärchen bin ich der letzte der aus der Herberge herausgekehrt wird. Die andern Pilger kannten die Prozedur wohl schon. Wir drei tigern zur Kathedrale und schauen uns die Kirche von innen an.
Dann von außen . Inzwischen eine handvoll Pilger die bei dem Wetter auch nicht unbedingt im Regen rumrennen wollen.
Ich tiger in die Stadt, auf dem Marktplatz auf einem Pavillon eine Gruppe Frauen die aus 100 rosa gefärbten Pappkisten eine riesen Aids-Schleife bauen, die auf die Kisten gemalt ist.
Der Turmbau zu Babel. Eigentlich war das alles im Gras daneben geplant aber da steht jetzt das Wasser knöchelhoch. Zum Dank kommen die mit einem Stapel Bio Tofu Jogurts an, na suuper.
Und erklären mir daß das gar keine Aids sondern Vorsorge zu Brustkrebsuntersuchung ist und das ganze auch noch von einer Riesen Pharma-Firma gesponsert. Na super, aber artig bedanke ich mich für den Jogurt. Da kommt zum glück Lena an, deren Bus erst nachmittags geht, zufällig um die Ecke, bevor ich mich vor lachen in die Ecke schmeißen muß. Wir trinken einen zweiten Kaffee und was süßes Tappas und verbringen quasi den ganzen Mittag in einem der hundert Cafés. Das was man Wetter da draußen nennt ist einfach nur nass. Es pißt in strömen. Neben uns zwei schweizer Vegetarier. Super da werde ich meinen Stapel Tofujogurt schnell wieder los und komme natürlich ins Gespräch. Die zwei wollen auch den Camino Francisco ablaufen, wie der Jakobsweg scheinbar hier heißt. Nachdem ich die Toilette in dem Laden auch im Dunkeln finden dürfte, so oft musst ich pinkeln, ist es Zeit sich von Lena zu verabschieden, wir haben ein bisschen Scrabble gespielt und geplappert. Ihr Bus geht um drei und ich versuche heute noch einmal in der Paderborn mein Glück. Gerade einmal drei Pilger und ich werde genauso herzlich aufgenommen wie Gestern. Mein Fahrrad bekommt einen Stellplatz im Keller und ehe ich mein Lager beziehe sind zwei weitere Kaffee getrunken.
Diese Herberge wird ehrenamtlich von Deutschland aus geführt und wie könnte man es nur erahnen, Pamplona ist die Partnerstatt von Paderborn.
Sonntag ich bin zwei Tage in Pamplona, aber das Wetter hat sich immer noch nicht gebessert. Ich darf einen Tag länger bleiben, was offiziell gar nicht gestattet ist, aber bei Kranken wird immer eine Ausnahme gemacht. Mal überlegen was ich habe, Knie, das kennen die hier alle. Ich tiger mit der Kamera bewaffnet ein paar stunden durch die Stadt und trinke zwei Kaffee, da wo Hemingway auch immer saß. Genau an seinem Platz.
Als ich um Zwölf Uhr mittags wieder in der Paderborn bin sind schon Drei Engländer aus Blackpool in meinem Zimmer, ziemlich müde und mitgenommen vom Regen. Zwei Brüder um die Fünfzig, einer davon mit seinem 25 jährigem Junior. Ulay der eine schnarcht, und das schon Mittags und alle haben eine leichte Alkoholfahne. Die zwei Brüder sind richtig begeistert von meiner Story und fragen richtig wie kleine Kinder Löcher in meinen Bauch. Nach einem Mittagsschläfchen ziehen wir in die Stadt und trinken ein Gläschen Wein. 1,60 Euro für ein Viertele ist echt human - Ok manch eine Weinflasche die sogar trinkbar ist kostet nicht viel mehr als einen Euro. Im Hostel werden wir dann von den super lieben Hostelieros empfangen aber auch gleich wieder in die Zimmer geschickt. Zehn Uhr ist hier Zapfenstreich. Klar wenn man den Tag über gewandert wäre aber so wir noch lange auf dem Zimmer erzählt und Bierchen getrunken. Später erfahre ich das Blackpool wohl so das versoffenste englische Dörfchen sein dürfte. Unglaublich; der eine Pupst so laut daß das Bett wackelt und die andern beiden mitten in der Nacht das Zimmer verlassen. Eine Minute später verstehe ich warum. Aber he, ich stehe gerade am Anfang des Caminos da kommen noch so einig Nächte mit Schnarchnasen und Pupsmonstern. Aber der war ein echter Brüller. Ich glaub die anderen Beiden kannten das schon.
Morgens wollten die Jungs noch unbedingt mein Bike sehen aber irgendwie waren die nicht mehr da als ich gepackt aus dem Keller gekrochen komme. Dafür stehen vor dem Hostel jede Menge neuer Pilger die gestern ankamen und jetzt zu frischen Taten bereit sind. Ich habe es gar nicht eilige. Verabschiede mich lange und herzlich von diesen wirklich netten deutschen Gastgebern. Als auch ich endlich in die Pötte komme, steht da immer noch ein Pärchen, Rick mit seiner Schwester Alice aus Kalifornien. Mit den beiden wandere ich in die Stadt, erst wieder zum Tourioffice, von dem ich jetzt weiß wo es ist, aber was wegen eingedrungenem Regen geschlossen hat. Weiter zur Post, weil Alice einiges an Gepäck nach vorne schicken möchte. Ich verstehe mich mit Rick so gut das ich ein ganzes Stück neben ihm her rolle. Seine Schwester hat’s viel eiliger und ist einen ganzen Schritt schneller unterwegs.
Bin jetzt einer unter vielen, raus aus der Stadt. Jede Menge Pilger denen man begegnet; zwei Spanier mit Elektrozigaretten, um sich das rauchen abzugewöhnen, einer von den beiden hinkt merklich. Auf der Frage nach dem Grund zieht er Stolz sein Hosenbein hoch und zeigt mir was sich darunter verbirgt, eine Karbon Metall Konstruktion. Ein moderner Pirat nur ohne Augenklappe, vor zwei Jahren von einem Truck erfaßt, hat er sein rechtes Bein verloren. Jetzt wandert er auf dem Jakobsweg um es sich und der Welt zu beweisen. Wir trotten ein stück gemeinsam den Pfad entlang, einige die an uns vorüberziehen. Bon Camino!
Dem Schlachtruf von nun an. Nach einer Weile verabschieden wir uns kumpelhaft voneinander mit Hand- und Faustschlag. Alice wartet bestimmt schon längst irgendwo auf ihr Bruderherzchen.
Eine halbe Stunde Später treffen Rick und ich sie wartend vor einer Dorfkirche. Ich mache Tee, Rick bleibt und Alice zieht es weiter. Jetzt verstehe ich auch warum, da vorne turnt irgendwo ein Israeli rum der es ihr angetan hat. Hihihi Alice ist verliebt ;) Eine der tausend Caminoromanzen. Rick zieht ins Dorf kommt mit zwei Bananen einer Avocado und etwas Süßem wieder. Eine ganz gemütliche Siesta. Wir zwei verstehen uns blendend.
Es geht weiter, jetzt wird der Camino ein spannender Singletrail so steil und steinig das ich nach oben schieben muss, ein kurzer Downhill und ich stecke im Matsch.
Knöcheltiefer roter Lehm. Der Regen der letzten Tage hat den Weg völligst aufgeweicht, das was sonst hart wie Ton gebrannt ist eine Schlammpiste, Teile des Wegs weggeschwemmt. Ich muß Lachen, es zieht mich bei jedem zweiten Schritt tiefer in den Schlamm. Die Sandalen stecken so tief im Lehm das sie und das Rad steckenbleiben. Meine Räder bewegen sich keinen Zentimeter mehr, der Lehm hat sich völlig in den Schutzblechen verkeilt.
Ich muss das Gepäck abmachen und einzeln zurücktragen, immer zwei Taschen und zum Schluss Biki raustragen. Zwanzig Meter weiter, wieder auf festem Grund schraube ich die Laufräder raus, um an den Lehm zwischen Reifen und Schutzblechen ab zu bekommen. Spiel nicht mit den Schmuddelkindern. Ich sehe vielleicht aus! Eingesaut mit Lehm und die Hände, Füße, Biki und Taschen: ein Schlammbad alles im Rotton.
Ich rolle in den Ort zurück wo wir gerade Mittag gemacht hatten, da gab es einen kleinen Bach in dem ich jetzt Biki fast drei Stunden auseinander nehme und wenigstens grob wasche, ehe ich mich wieder auf die Piste wage. Zweiter Anlauf, daneben war ein Zeichen für Radler, aber der Weg endet genauso im Schlamm.
Dann eben nicht, gut das ich mein Garmin habe, ich zoome ein Stückchen raus und suche mir die nächste Straße parallel zum Camino. Hervorragend, kaum auf der 1110 angekommen, ist die auch als Camino Santiago de Compostela ausgewiesen. Die Seitenroute für Radler. Auch hier kann man sich, glaube ich, wirklich nicht mehr verfahren. Ich kurbele einen kleinen Pass rauf und dann geht’s alles runter in den nächsten Ort. Am Straßenrand sitzt Rick und winkt mir fröhlich zu. In der Abendsonne jede Menge Pilger die sich vor der Herberge strecken, sich ihre Füße und Knie einreiben, und dehnen. Auch Rick hat schon heftige Knieprobleme.
Da trudelt das walisische Pärchen ein, mit dem ich aus der ersten Herberge gekickt wurde.
Eine halbe Stunde später im Dorf ,ich war mit Rick einkaufen, treffe ich sie unten im Dorf wieder, sie haben zwar zehn Gramm Gras zum Kiffen aber kein Campinggas bekommen.
Naja weil man von Drogen alleine nicht
leben kann und sie auch Campen wollen habe ich die beiden kurzerhand zu Abendessen eingeladen. Nach einer halben Stunde Marsch einen nettes Zeltplätzchen für uns neben dem Camino gefunden. Ich mache
uns 500 Gramm Pasta mit Pesto und habe noch ein Franzbrot und etwas Käse. Zu zweit essen die das was ich alleine vertilge und rauchen dafür die x-fache Menge Gras. Unglaublich, Jill vor vier Tagen
gerade mal Zwanzig geworden und Mai dürfte auch nicht viel älter sein. Aber he, ich fühle mich an meine Zeiten in Gießen erinnert. Nach dem Essen hocken wir noch eine ganze Weile, jeder auf seinem
Stein und zählen Sternschnuppen. 12 zu 2 für Wales, ich weiß nicht ob die einfach nur stoned waren oder ich zu alt bin fallende Sternchen zu sehen.
Tags drauf, es ist fast Mittag bis sich der Nebel verzogen hat und ich mein Zelt halbwegs trocken eingepackt habe. Unter mir eine auffallend laute Gruppe Pilger. Halb tanzend mit Musik aus dem Handy bewaffnet sind Ricks Schwester Alice jetzt mit dem Israeli und einem Belgier den ich auch noch vom Vortag kannte mit noch zwei Pilgern super gelaunt unterwegs.
Ich bringe noch einen zweite Runde Tee an das Englische Zelt. Die zwei grinsen mich einfach nur lieb an und ich verabschiede mich von denen Beiden. Es war ein toller Abend.
Im Zelt von den beiden riecht’s wie in einem holländischen Koffeeshop. Ich stelle mir vor das Pit und Mark als die einst durch England getrampt sind wohl sehr ähnlich unterwegs gewesen sein dürften.
Ich versuche die Gruppe um Rick und Alice
einzuholen, treffe sie aber nicht mehr.
Dafür, wer hätte es gedacht, jede Menge anderer Pilger. Ab Mittags ein Papa mit Töchterchen aus Deutschland, an denen ich immer mal wieder vorbeiziehe, und die mich dann wieder einholen. Ja ich bin
wirklich nicht schnell, die Landschaft viel zu schön und verträumt um hier durchzurasen. Einfach nur malerisch, als wär es ein Kitschbild in irgendeiner Villa an der Wand aufgehängt. Durch
Olivenplantagen, daneben die Weinberge oder gerade gepflügte Felder. Ab und zu durch ein Kiefernwäldchen immer der Muschel oder dem gelben Pfeil folgend. Bon Camino. Dazu braucht man sich noch nicht
einmal mehr Gedanken in den Orten zu machen, die Muschel führt immer durch den Ortskern. Was hier an Abwechslung geboten wird ist unglaublich. Vielleicht spiegelt die gute Laune auch all die
fröhlichen Menschen wieder. Nicht nur die ganzen Pilger, auch in den Dörfern: jeder Zweite Spanier der einen nicht nur mit Hola sondern auch noch ein Bon Camino hinterher ruft. Das die nicht
irgendwann die Schnauze davon voll haben???
Klar die leben hier von diesen tausenden von Pilgern, dabei bin ich noch über 600 Kilometer von Zielort entfernt.
Für mich recht früh am Abend schlage ich mein Lager auf. Die Tage sind aber auch deutlich kürzer geworden. Ein traumhaft schöner Ort mit einem tollen Sonnenuntergang. Eine leerer Schafsschuppen hinter mir in dem die Spatzen zwitschern und das Blechtor die Nacht über im Wind klappert. Ja, bin mal gespannt ob ich weiterhin so viel Spaß auf dem Jakobsweg haben werde. Wahrscheinlich treffe ich in den kommenden Tagen mehr Reisende als im kompletten nächsten Jahr, aber he, es kommt ja bekanntermaßen nicht auf die Quantität an ;)
Bon Camino Schlachtruf Nr.: 24 heute Morgen die ganzen Pilger die mein Lager 50 Meter neben der Piste entdecken und mich beim Kaffeetrinken sehen. Sogar die ganzen Koreaner die weder Spanisch noch englisch können rufen fröhlich Bon Camino. Süd-Koreaner führen eindeutig das Feld an was die Menge der Pilger trifft. Ich wusste gar nicht das Südkorea soo groß ist. Fast jeder zweite hier ist ein Koreaner. Oft tippeln die in einer Gruppe von vier oder sechs Leuten, mit so einem lustigen Schlapphut, und dann immer mal wieder einer der etwas hinterherhinkt. Anfangs bin ich natürlich oft ins Fettnäpfchen getreten und habe versucht mit einem Niehau auf Chinesisch zu grüßen und dann kam immer ein entrüstetes „Mia san Koreaner hör mir uff mit China“ zurück was sie mit Händen und Füßen klarzumachen versuchten, spanisch, englisch oder deutsch können die ja nicht. - Achso spanisch kann ich ja auch nicht - vielleicht lag’s daran.
Die Stimmung am Morgen ist super, auch wenn das Wetter sich mal wieder etwas zuzieht. Der Jakobsweg; ein Traum zum radeln mit dem MTB. Endlich mal wieder eine Piste auf der ich mir nicht völlig Übertrieben mit meinem halben Downhillbike vorkomme. Zwar nicht all zu viele geniale Abfahrten an denen ich mein Material erproben kann aber ab und zu sind sie vor mir ein zwei Kilometer gemeinste verblockte Geröllpisten, Schlammpisten vom Regen der letzten tage aufgeweicht oder ausgewaschen, wo ich es einfach laufen lasse.
Yiiipiayeahh das macht Spaß, und dann immer wieder Bodenwellen wo ich mit meinem über vierzig Kilo Panzer abhebe. Ja ich schwebe auf Wolke Sieben. Natürlich könnte man diese kurzen Passagen auch langsam durchfahren oder schieben aber nee - das dürfen die anderen Biker gerne, ich muss ja auch mein Material ja wenigstens etwas fordern.
Huiii waren da nicht gerade zwei Pilger??? Hoffentlich erschlagen sie mich nicht wenn sie dann an mir vorbeiziehen. Nein, tun sie nicht. Ich mache mein zweites Frühstück da kommen die beiden an mir vorbeigetigert, zwei Kanadierinnen aus Toronto und Quebec. He, das Südkoreaner nicht unbedingt englisch sprechen müssen OK. Aber das zwei gebildete Kanadier nicht immer Englisch können ist mir neu. Eine von den beiden versteht zwar Brocken englisch aber lang nicht alles und die andere darf die ganze Zeit übersetzen.
Die Zwei sind ein lustiges Gespann, so tuckere ich eine ganze weile nebenher. Die kleinere Chris hat so viele Blasen an den Füßen das sie in ihren Flipflops mit einem viel zu großen Rucksack auf dem Rücken rumwatschelt. Nach einer halben Stunde erreichen wir eine Teerstraße die etwas abwärts führt und ich verabschiede mich und lasse es runter rollen.
Ein Stückchen weiter treffe ich wieder Einfuß. Der mit Karbonbein und Elektrozigarette. Inzwischen sind sie zu dritt und haben ihre Elektrozigaretten gegen echten Tabak getauscht. Wie älteste Kumpels begrüßen wir uns. Wieder reduziere ich für eine halbes Stündchen mein Tempo auf halbe Schrittgeschwindigkeit.
Nee, wenn ich so weiter mache dann bin ich in einem Monat noch nicht in Santiago de Compostela. Ich reiße mich los, und wie auf einer Achterbahn geht’s weiter Hügel hoch, Piste runter. Die Tage verfliegen gerade zu, schon wieder Nachmittag Ich raste und will gerade wieder aus einem dieser verträumten Nester, da sitzt ein Pärchen mit MTBs. Ich sage Hallo und ehe ich Tschüss sage sind wieder anderthalb Stunden vergangen. Die beiden mit 150 Euro Bikes und 2500 Euro Videoausrüstung wollen den Jakobsweg filmen. Täglich nicht mehr als zwanzig Kilometer die die radeln, eher weniger. Keine Lowrider dafür zu den zwei Satteltaschen hinten noch riesen Rucksäcke. Mit zwei Handgriffen noch schnell deren Bremsen gerichtet ehe ich aus dem Dorf zieh. Ich komme gerade eine Ecke weiter, da stehen zwei Schweizer. He, die Gesichter kenne ich doch noch - ach ja der Tofu Joghurt in Pamplona. Die Jungs aus der Bar in der ich mit Lena den halben tag bei Regen verbracht hatte. Mein vierter Tag seit Pamplona und ich bin kein bisschen schneller als die Pilger. Eigentlich klasse soo gemütlich unterwegs zu sein. Gut, ich schleppe etwas mehr Material mit mir rum und werde nicht um sechs geweckt und um acht aus der Herberge geschmissen. Hallo Schweiz, wieder ein kurzer Schnack, ehe ich diesen Ort endlich wirklich verlasse. Nachmittags durchquere ich noch ein kleines Städtchen, dahinter ein angelegter See und das erste mal mehr Spaziergänger und echte MTBler auf der Piste als Pilger. Ich radle noch eine ganze Ecke durch die Dämmerung und finde in Weinbergen unterm Vordach einer der Geräteschuppen Unterschlupf. Ich koche meine Pasta und es fängt an etwas zu regnen. Eigentlich schön der Klang der Regentropen auf das Vordach und nach vorne hin einigermaßen gut durch einen Vorhang aus Weinreben und Blättern geschützt. Solange nicht wieder ein Schlagregen kommt. Auf einem abgesägtem Korbsessel genieße ich noch lange die kühle Abendstimmung und den leichten regen. Nachts kann es gerne sooo viel regnen wie es will; ich bin im Trockenen. Zurzeit ist mein Zelt nicht nur ein Planschbecken wenn es regnet, es zieht ja sogar die Bodenfeuchtigkeit nach innen, so das alleine bei Tau schon etwas Feuchtigkeit im Zelt herrscht.
Der Morgen grau in grau, aber halbwegs trocken nur ein paar ganz leichte tropfen. Morgen ist gut; um neun Uhr wach und um elf auf Biki, gedopt mit gutem Kaffee. Hatte ich gerade aufgegeben in Spanien nach Senseo Pads zu suchen und mir grauenhaften deutschen Löslichen Kaffee gekauft finde ich tags darauf endlich wieder meine geliebten Espresso Senseopads.
Damit fängt der Tag bestens an und das Wetter kann mir auch nix anhaben - zu mindestens tue ich so. Ne, ich hasse es länger durch regen zu radeln, aber trotz schlechtwettervorhersage nur zwei kurze Nieselschauer und zwischendrin linst die Sonne sogar durch die Wolkendecke.
Mittags ein nettes Örtchen. Ich habe gerade so an die zwanzig Fotos hier gemacht und es geht aus dem Ort raus, zwei kleine Mädels auf der Parkbank mit einem großen und einem kleinen Rucksack. Der große Rucksack gehört zu einer Südkoreanerin und der kleinere Maja aus Norwegen die etwas nördlich von Oslo stammt.
Maja ist für Nordeuropäisch Verhältnisse wohl einen ganzen Kopf zu klein, legt aber dafür ein flottes Gehtempo vor. Wir verstehen uns blendend. So gut, das ich zwei Stunden mitpilgere.
Die Zeit verfliegt wenn man so geschwätzig sein kann wie ich. Schon im letzten Hostel bekam ich den Spitznamen Talkactive.
Im nächsten Ort wärmen wir uns bei einem Kaffee auf ehe ich mit einem Fetten Grinsen weiter düse. Ja, so nette Momente versüßen einem die Reise. Da kann das Wetter mir gar nichts mehr an haben. Übermotiviert strampele ich weiter. Etwas über meinem Limit und verausgabe mich etwas, es nieselt und es wird deutlich kühler noch ein paar verträumte Örtchen weiter und der Himmel reist immer mal wieder auf - hoffen auf besseres Wetter.
Es wird Abend, ein Italiener neben einer Kirche textet mich zu, vermutlich einfach zu viel Gras geraucht. Ich bin eigentlich schon auf der Suche nach einem geeignetem Nachtplatz für mein Zelt, am liebsten sogar einen Unterschlupf. Es riecht schon förmlich nach Regen.
Es ist zu dunkel um nach Scheunen Ausschau zu halten, also halte ich hinter einem Dorf und schlage mein Zelt an einer Hauswand auf.
Mir wird’s kalt, gleich mal in vier schichten warme Klamotten geschlüpft und Essen gemacht. Nach einer halben Stunde hört’s auf zu Blasen und damit ist es deutlich erträglicher und wärmer.
Wie vermutet: Es regnet. Es regnet, es regnet und mein Zelt das wird gleich nass. Von außen und von innen. Aber in einem tragbaren Rahmen und auch nur zwei Stunden. Easy; kurz nach Zwölf einmal kurz feucht durchgewischt und der Boden ist wieder Trocken ;)
He, ich mach doch auch immer wenn ich mal nicht schlafen kann so um Mitternacht meinen Hausputz.
Das Gute ist das man danach gut schlafen kann. Die ersten Pilger sind bestimmt schon vor Stunden an mir vorbei bis ich überhaupt wach bin. Immer mal das klacken von Wanderstöcken oder asiatisches Gegacker. Zeit die Pilger wieder einzusammeln. Nach ein, zwei, drei Stündchen dürfte ich auch den ersten der um acht schon an mir vorbeigezogen ist wieder eingeholt haben. Eine fast geschlossene Wolkendecke manchmal tiefschwarz und ein kleines Blaues Loch was immer mal aufreißt. Das hat schon fast was mystisches. Es geht die letzten Kilometer nach Burgos rein. Neben der Bundesstraße, der Wind bläst mir ins Gesicht, ab in die Großstadt. Irgendwie gefällt mir die Stadt überhaupt nicht - ob das Wetter ein bisschen an meiner Stimmung knabbert? Eine riesige Kathedrale die 7 Euro Eintritt kosten soll. Die haben den Arsch offen. Das Tourioffice absolut versteckt und winzig, noch nicht einmal mit Wi-Fi. Die Dame im Office weiß noch nicht einmal wie das Wetter in den kommenden Tagen sein soll.
Oberhalb der Kathedrale eine einigermaßen günstige große moderne und wieder unpersönliche Herberge. Meine Klamotten sind klamm, ich stinke wie ein Hering. 5 Euro für die Herberge aber 3 Euro die Waschmaschine und 50 Cent das Waschpulver. Die Küche besteht nur aus zwei Waschbecken und zwei Mikrowellen. Nichts wo man essen machen könnte und draußen regnet’s. Für die über Hundert Pilger die hier im Sommer täglich durchgeschleust werden ganz schön minimalistisch, wäre aber wohl auch nicht handelbar, weil viele die einfachsten Benimmregeln nicht kennen und denken für die 5 Euro sich auch noch alles rausnehmen zu können.
Ein Franzose stolz wie Oskar der mir sein Fahrrad mit Yak-Anhänger erklärt. Er versucht mir klar zu machen das er schon ganze 30 Tage unterwegs ist. Völlig Gelände ungeeignet, der fährt nur die Hauptstraßen entlang.
Abends wird’s lustig, drei Koreaner die kein Wort englisch können und ein weiterer Franzmann der etwas englisch spricht. Nach ein paar Dosen Bier und zwei Flaschen billigem Fusel - unter einem Euro die Flasche - wird die Stimmung lustig und die nonverbale Kommunikation beginnt.
Bis zu dem Zeitpunkt wo sich eine 70-jährige ältere Deutsche dazukommt und meint mir als Deutsche Gesellschaft leisten zu müssen. So richtig aufdringlich wie sie sich einklinkt, und meint uns alle ihre Fotos von Familie, Enkelkindern und dem Haus in München zeigen zu müssen. Trotzdem süß mit anzusehen wie locker die Koreaner das nehmen sie in den Arm nehmen und für weiter Fotos posen. Ihrer einen Woche Camino wäre ja so eine Tortur gewesen. Und die ganzen anderen Deutschen hätten sie verlassen. Warum nur?
Naja so kommt man wenigsten einigermaßen früh ins Bett. Schlafen in diesen riesigen Gemeinschaftsräumen ist so gewöhnungsbedürftig wie das Schlafen im Zelt. Immer einer der schnarcht oder rumtippelt. Morgens um vier eine total gestörte vollalkoholisierte Tussi die Weinflaschen an die Mauer schmeißt und rumgröhlt. Die ersten Pilger stehen auf, einer ruft die Polizei, ein Raunen im Schlafsaal; super Party. Die ersten duschen, machen Licht und klappern nach dieser Frühaktion. Es ist keine Fünf, ich versuch noch eine Runde zu Pennen, aber das Ding mit der Ruh ist vorbei. Immerhin gibt’s beim Kaffee am Morgen was zu erzählen. Um acht Uhr bin ich wieder der Letzte der richtig unsanft rausgeschoben wird. Eine absolut unfreundliche Putzfrau. Ich glaube die Pilger haben sich da schon längst dran gewöhnt vor acht auf dem Jakobsweg zu sein. Einer der Gründe warum ich mein Zelt oder Scheunen bevorzuge, aber irgendwie gehören diese Massenunterkünfte eben auch zu dem was man mitgemacht haben muss. Schlafen wird ja auch vollkommen überbewertet. Immerhin habe ich jetzt mal wieder saubere trockene Klamotten.
Es ist Herbst, es ist noch Nacht da vor der Tür, und es nieselt. Was will ich da soooo früh auf Biki, nee so was schlägt dann immer auf die Stimmung. Es dauert eine geschlagene Stunde bis ich den Weg bei Dunkelheit aus der Stadt finde. Endlich führt der Pfad wieder von der Hauptstraße weg und der Regen stoppt. Jetzt auf einer Hochebene von 800 bis 900 Metern. Die Sonne linst raus, so macht der Jakobsweg Spaß; keine allzu steilen Anstiege, ein gut geschotterte Piste. Bis sich der Weg für 500 Meter in eine Lehmpiste verwandelt. Ich versuche mit viel Schwung durchzukommen. Das war nix: die Reifen sind komplett blockiert mit Matsch und das Schutzblech hängt.
Das dritte Mal seit Pamplona da gar nichts mehr geht. Und wieder Satteltaschen abgeschnallt und bis zum Ende der Lehmpiste getragen. Zurück zu Biki das noch im Matsch steckt - voll mit Lehm - und eine halbe Tonne wiegt, auch die 100 Meter weiter auf festen Untergrund gezerrt. Laufräder rausgeschraubt und den Lehm mit den bloßen Händen abgeschaufelt. Scheiße; bei der Aktion das vordere Schutzblech abgerissen. Nur eine Pfütze in der ich Biki notdürftig putzen kann. Aber was soll’s; da kommt bestimmt bald wieder eine Schlammpiste, saubermachen völlig sinnlos.
Nur die Kette mach mir sorgen: komplett mit Schlamm getränkt, schaltverhalten gleich Null, beim treten ein nicht ganz angenehmes Knarzen zwischen Kette und Kettenblätter.
Drei, vier Kilometer weiter und sie ist einigermaßen trocken gefahren. Mit eine Bürste vom Straßengraben und Tüchern notdürftig den Lehm abgerieben. Aber das geht auf jeden Fall an die Lebensdauer der Kette
Traumhaftes Wetter mit einem verträumten Örtchen das sich auf dem einzigen Hügel aufreiht und ganz oben steht die Kirche. Der Blick ins Dorf durch eine im Herbstgold glitzernde Pappelallee. Mal wieder ein Kitschbild was in jeder Spießerwohnung aufgehängt gehört.
Kurzer Keks- und Bananenstopp im kleinen Supermarkt auf dem Marktplatz. Knallköpfe die Spaß haben jede Menge Feuerwerkskracher zu zünden. Die Jungs, älter als ich und sogar mit Anzug gekleidet, ballern laut rum. Die Erklärung: Ein Uraltes Brautpaar so um die Achzig - vermutlich der fünfzigste Hochzeitstag und dann tänzeln die drei auch noch um die zwei Alten die ganze Zeit herum. Die ganze Zeit in der ich noch meine Kekse und Bananen futter höre ich die noch durchs Dorf Böller anzünden.
Ein Stück hinter dem Dorf eine Lange Rampe. Auf Schotterpiste Bergauf und der Wind bläst mir ins Gesicht. Die kette knarzt und kracht immer noch beträchtlich. Ich schiebe die zwei Kilometer bis oben. Ein kleiner Windschutz und ich kümmere mich nochmal etwas um Biki. Nicht nur die Kette auch Gabel und Bremsen sind mit dem Lehm verklebt.
Die Kette ist schnell gangbar und halbwegs sauber aber der Lehm an der Gabel klebt wie Kaugummi am Tauchrohr und versaut meine Dichtungen. Eine halbe Stunde bis ich die Rohre wieder sauber und frisch geölt habe. Rahmen, Lenker, Schutzbleche: eigentlich fast alles von Biki ist immer noch mit Lehm bedeckt, aber die Lager, Bremsen und Gabel sind vom Dreck befreit. Alles glänzt rotbraun. Der Herbst, die Blätter, die Äcker und Landschaft, der Sonnenuntergang und Biki, sogar meine Ortlieb-Radtaschen, passen sich wie ein Chamäleon der Umgebung an.
Es wird flacher und der Camino verläuft parallel zu einer Nebenstraße. Ein lustiges Pärchen vor mir, sie balanciert auf der Wegbefestigung von Baumstämmen entlang. Er führt sie, er ist zwei Köpfe größer und viel älter. So trotten die zwei ganz langsam vorwärts.
Ich grüße und meine Geschwindigkeit reduziert sich mal
wieder auf halbe Pilgergeschwindigkeit.
Ein soo lustiges Bild dieses Paar das ich nachhake. Er, ein älterer Spanier der ein Dorf weiter eine Pilgerherberge im Sommer betreibt und sie, die den Jakobsweg mit noch nicht einmal dreißig jetzt
zum dritten Mal abgeht. Rachel kommt aus der Schweiz und es scheint sie zurzeit nicht all zu sehr in ihre Heimat zu ziehen. Auf jeden Fall ist sie auf die Schweiz nicht all zu gut zu sprechen und
scheint sich eine Auszeit zu gönnen. Jetzt ist sie schon seit zwei Monaten mit ihm - was auch immer sein Name gewesen sein mag - unterwegs. Jetzt bin ich keine zehn Kilometer mehr von dem Ort mit
seiner Herberge entfernt. Lustig ist das sobald er seine Mütze abzieht jeder der vorbei kommt ihn erkennt und mit uns ins Gespräch kommt. Ich genieße es inzwischen immer mal neben Pilgern
herzutrotten und ein bisschen zu plaudern, das hier ist noch einmal langsamer. Ich erinnere mich an den Typen den ich vor Jahren in China traf, der meinte das er vom Fahrrad abgesattelt hat, weil ihm
dabei die Landschaft zu schnell vorbeizieht. Ja das Tempo der beiden ist noch einmal deutlich langsamer als das der meisten anderen Pilger, und Rachel ist so die letzten 60 Tage selten mehr als zehn,
fünfzehn Kilometer pro Tag gegangen. An einem Parkbankstopp hier hält die Zeit einfach an. Da sitzen und den Herbst und den Wind genießen. Ja, ich merke das ich immer noch zu schnell unterwegs bin.
Zu schnell??? He: ich bin jetzt schon doppelt so lange unterwegs wie ich je angenommen oder besser veranschlagt hatte.
Zu Abitur-Ostschulzeiten wollte ich einmal in vier Wochen nach Gibraltar geradelt sein, habe dann aber dann hinter den Vogesen wegen Schnee und Kälte abgebrochen. Dieses Mal dachte ich so in gut zwei Monaten in Gibraltar zu sein. Na vielleicht wird’s ja noch vor Weihnachten was daraus den afrikanischen Kontinent zu erblicken.
Ich lasse die zwei alleine die letzten Meter in Ruhe seinen Heimatort zu erreichen. Die Herberge von ihm erkenne ich sofort. Mit zwei großen Tippizelten im Garten ist der Platz nicht zu verfehlen und hinterlasse dort eine nette Postkarte von mir.
Abends ein größerer Ort, hinter einer der vielen Kirchen zu denen ein langer Wall verläuft suche ich Schutz vor dem Wind hinter einem Mäuerchen im Pappelwald.
In drei Lagen Klamotten eingelümmelt versuche ich meine Pasta zu kochen. Es bleibt bei dem Versuch. Das erste Mal seit über einem Jahrzehnt, das mich mein Benzinkocher im Stich lässt. Ich versuche ihn auseinander zu nehmen und zu reinigen. Meine Finger sind schwarz, mir ist Schweinekalt aber immer noch keine Flamme.
Ich wasche mit Laub den Ruß von den Händen, verziehe mich ins Zelt und futter mein altes Stockbrot mit Käse und einer Packung billiger Doppelkekse.
Die Nacht schlaf ich super, das Laub unter mir isoliert
trotz Kälte, ist wie eine Matratze und der Wind hört auf zu blasen.
Morgens vom Gekläffe eines kleinen Pinschers geweckt, der sich nicht an meinem Zelt vorbeitraut und das Herrchen ihn einsammelt und an mir vorbeitragen muss. Die Sonne lacht, das Zelt getrocknet geht
es ohne Kaffee, da der Kocher immer noch nicht tut, los. He, so ohne Kocher, das geht gar nicht. Da brauche ich gleich drei mal so lange in Schwung zu kommen. Immer mal wieder eins dieser
Geisterdörfer durch die ich jetzt komme. Fast alle Rollläden unten und kein Leben, da wo sonst Menschen auf den Straßen sind. Teil der Wirtschafts- und Bankenkrise diesen Landes. Das muß außerhalb
des Jakobswegs viel gravierender sein. Hier sind die meisten Dörfer auf dem Camino mit Leben, Cafés und Kreativität geschmückt. Aber neben diesem Weg muss es massig dieser halb verlassen Dörfer
geben
Ich lasse mich auf einem Marktplatz nieder und kümmere mich ein zweites mal um meinen Kocher. Nach einigem Gebastel kommt er wieder in Schwung. Noch nicht die volle Leistung aber für einen ersten Kaffee reicht’s. So verspätet mit Koffein gedopt geht’s weiter über die Hochebene. Starker Seitenwind gepaart von leichtem Rückenwind geschoben rolle ich durch ein phantastische Landschaft. Der Pilgerpfad verläuft fast dauerhaft neben einer komplett unbefahrenen Nebenstraße. Zu Fuß währe es mir das ganze etwas Öde aber vorangetrieben von dem leichten Rückenwind und einem gigantischen 360 Grad Blick über die Ebene ein absolutes Glücksgefühl. Auf der Hochebene einer der goldenen Herbsttage, rechts und vor mir am Horizont ziehen Bergketten entlang manche Gipfel ganz im Hintergrund inzwischen mit Schnee bedeckt.
Ich könnte Stunden so dahingleiten. Sogar die Spanier sind hier auf der Straße zu Fuß unterwegs um die Abendsonne zu genießen. Lustig zu sehen: alle Spanier laufen mitten auf der Straße, nur die Pilger laufen auf dem Jakobsweg der parallel dazu angelegt wurde.
Gigantisch der Rundumblick, vor mir der Sonnenuntergang und 180 Grad hinter mir geht der Vollmond auf. Es ist Jahre her das ich dieses tolle Bild im Kopf hatte. Damals im Outback Australiens. Ich glaube die Spanier die an mir vorbeiziehen und meinen Freudentanz sehen denken „Der hat sie nicht alle!“.
Mein Hoch hört schlagartig mit dem Sonnenuntergang auf. Kurz nach sechs, es wir blitzschnell dunkel, sternenklarer Himmel und echt frisch. Hinter einem Dorf auf einem heruntergekommenen Fußballfeld schlage ich mein Zelt auf.
Der Wind Bläst so kalt das ich 80 Prozent meiner Klamotten anziehe und unter meinem Vorzelt koche. Nicht ganz ungefährlich; ich bringe meinen Kocher endlich wieder auf Hochtouren und die Flammen schlagen an die Zeltwand, aber nachdem ich das Teil endlich wieder unter Kontrolle bringe wärmt und kocht er hervorragend.
Morgens trotz drei bis vier schichten Klamotten und Innenschlafsack ist mir kalt.
Ich krieche aus meinem Zelt. Die Außenhaut weiss, komplett gefroren. Ich muss raus für eine Pinkelpause. Brrrr, willkommen Antarktis. Nee, ganz so schlimm ist es noch nicht aber das Gras um mich ist weiss: Bodenfrost. Schnell wieder ins Zelt und den Schlafsack
Morgens genieße ich die wärmenden Sonnenstrahlen und meinen Kaffee, warte bis meine Zelt Außenhaut wieder aufgetaut und getrocknet ist.
Nur noch zwanzig Kilometer bis Leon die nächste und letzte Großstadt vor Santiago. Wieder tingele ich ein bisschen durch die Straßen, treffe Leute die mir auf dem Jakobsweg begegneten und im McDonalds meine Nachrichten abgerufen und nach dem Wetter geschaut. Nee, nochmal will ich nicht in so einer Massenunterkunft einer Großstadtpilgerherberge bleiben und tuckere Nachmittags raus. Entlang eines großen Bundesstraßenjakobwegtrails verpasse ich den schöneren Weg den ich sogar auf meinem Navi geroutet hatte und folge der Muschel und dem gelben Pfeil. Nichts ahnend das es zwei Wege gibt. Dieses ist das hässliche Entlein, entlang der Bundestrasse und über Autobahnen. Lustig zu sehen wie sich hier ein Trampel- und Schotterpfad durch und über Autostraßen und Autobahnen windet. Zu Fuß würde ich diesen Ort wohl hassen. Stundenlang neben einer Autobahn zu latschen und dann wieder Tage neben einer Bundessrase zu verbringen.
Ich hasse mich: Hätte ich nicht doch gemütlich in Leon bleiben können. Stattdessen such ich mir einen Weg aus der Stadt und es wird dunkel. Neben einer starkbefahrenen Straße Raststätten mit billigen Hotels und Sexshops. Die Batterien meiner Stirnlampe so schwach das ich nur noch ein Glühwürmchen auf dem Kopf trage. Der Jakobsweg ein Feldweg neben der Bundesstraße. Seit einer Stunde ist die Sonne unten es ist kalt, ich fluche und verdamme mich.
Da kommt ein zweiter kleiner Ort. Nach dem zweiten Mal Hinschauen auf den Boden mit gelber Farbe für Pilger auf den Asphalt ein Hinweis auf eine Auberge. Aber Wo?
Etwas weiter ein Dämmerlicht in einem alten Gutshaus. Ich radel hin und drinnen eine lustige Runde Pilger.
So fast zwanzig an der Zahl die alle den falschen Weg eingeschlagen sind.
Eine wirklich gemütliche und urige Bude. Ich bin der Letzte. Keiner der Geld haben will, irgendwann um 18 Uhr war jemand da und wolle von jedem Pilger vier Euro und man bekam dafür den Herbergsstempel. Darauf kann ich verzichten. Für mich gibt zum fünfzigsten Mal Pasta, die ich mit den Koreanern am Tisch teile. Jaremie, ein Franzose mit Liebeskummer weil er seine Chilenin mit der er seit Tagen unterwegs ist verloren hat. Da läuft man einmal mit jemandem anderen und verpasst den gemeinsamen Weg.
Obwohl es schon spät ist beginnt in verdammt lustiger Abend. Ohne Englisch Kenntnisse kramen die Koreaner eine Art Scrabble raus. Mit Hilfe von Smartphones und Übersetzungsprogrammen wird kommuniziert. Einer der drei Koreaner spricht einigermaßen gut englisch und Jarimie, dafür das er Franzose ist sogar super. Lustig, wieder eine ähnliche Runde wie In Burgos und doch ganz anders.
Nach dem Scrabble werden Fünf Runden Mau-Mau mit koreanischen Regeln gespielt. Ein weiteres deutsches Madal kommt dazu die uns Horrorgeschichten von Bed Bugs erzählt und davon das sie gerade zwei unter ihrer Matratze gefunden hat. Die kann gar nicht mehr aufhören von diesen Tierchen zu erzählen, bis Jaremie ihr seine Sprühdose Antibedbugs vermacht
Nun, nach Mau-Mau, Scrabble und inzwischen zu sechst versuchen wir uns mit Poker. Irgendwann fallen wir alle todmüde ins Bett und ich träume von Bed Bugs, na Suuper.
Morgens, ich bis der Letzte der diesen urigen Platz verlässt. Absolut keiner mehr in der Herberge, kein Personal, kein Pilger. Der Schlüssel steckt in der Tür. Gut gelaunt verlasse ich den Laden.
Ich starte und es geht weiter mit dem Bundesstraßentrail, die ersten die ich einhole ist diese Deutsche die inzwischen mit einem weitern Deutschen zusammen pilgert. Ich plappere neben den beiden so lange, bis sie am ersten Café stoppen für eine Frühstückspause. Einen Kilometer weiter hole ich die Koreaner ein, tuckere ein Stück neben denen her. Kommunikation ist eher schwer da die zwei nicht wirklich Englisch können. Ich Springe noch in Stück nach vorne und treffe auf Jaremie, der echt früh los ist, auf der Suche nach seiner chilenischen Freundin.
Ich steige vom Rad und laufe über eine Stunde mit bis zum nächsten Ort. Hier treffen die zwei Pilgerwege wieder zusammen, Jaremie will hier auf einer Brücke die Chilenin abpassen.
Nach einem gemeinsamen Kaffee neben der Brücke ziehe ich weiter ins nächste kleine Städtchen. Endlich wieder etwas abseits der Bundesstraße, ein schöner Feldweg mit tollem Blick auf die Stadt vor mir. Eine Kanadierin die für sechs Monate in Frankeich Grundschüler unterrichtet ist in den Herbstferien für zwei Wochen auf dem Jakobsweg unterwegs. Gemeinsam erreichen wir das Städtchen und besuchen eine katholische Messe. Nach 10 Minuten werde ich ungeduldig verlasse die Kirche und schaue mir das Örtchen an.
3.000 Einwohner und eine Kathedrale so groß wie der Kölner Dom. Mir ist kühl und ich habe Hunger. So futter ich schnell mein restliches Baguette mit Erdnussbutter, Käse, Salami und einer Packung Kekse. Danach zum Aufwärmen ins Café. Ich schreibe ein bisschen mein Tagebuch, da kommen die ersten Koreaner vom Vorabend. Ich hinterm Computer, die mit ihren Smartphones die noch größer sind als das neuste iPhone 5. Ja, die meisten Koreaner stehen auf Samsung, fast keiner hat ein Ei Produkt. Sieht sehr witzig aus die Jungs mit einem so riesen Klotz am Ohr. Noch lustiger die Übersetzungssoftware mit der unsere halb nonverbale Kommunikation funktioniert. Die tippen was mit ihren Schriftzeichen ein und lustige konfuse Wortfetzen werden ausgespuckt. Inzwischen macht die Wirtin auch mit und gibt eine runde Tapas (belegte Brote) und Kaffee aus.
Die Zeit verfliegt und bevor ich den Fehler der Tage zuvor mache, laufen wir zurück ins Städtchen und finden neben der Kathedrale eine gemütliche Bleibe die von einer bolivianischen Familie betrieben wird. Unten ein wärmender Kamin davor eine Hinfläzgelegenheit mit lauter Kissen, vor dem wärmenden Feuer. Daneben eine Küchenzeile und eine große knarzende Holztreppe nach oben ins Schlaflager. Astorga, ein süßes Städtchen. Zusammen mit den Koreanern mache ich einen riesen Einkauf: Lebensmittel, Bier und Wein für zehn Leute. Noch sind wir zu dritt. Wir kommen wieder in die Herberge, Jaremie trifft mit uns ein. Glücklich seine Chilenin wieder getroffen zu haben. Es wird groß gekocht. Ich fast alleine und die Küche - Hiiilfe. Aber diese inzwischen drei süßen Koreaner stellen sich derart bescheuert an, das ich das Ruder übernehme. Selbst um den Reis zu Kochen müssen die die alles wissende Amerikanerin fragen. Ich mache Das Gemüse, die Pastasauce, Nudeln und den Salat. Dabei schwätzen mit den eintrudelnden Pilgern. Mit meinen Koreanern trinke ich zwei Dosen Bier zum Anfang. Ich bin hoffnungslos überlastet aber habe gleichzeitig riesigen Spaß. Zum Schluss kommt sogar richtig mampfbares Essen raus, das uns inzwischen zu acht reicht. Noch ein Italiener: Salvatore aus Sizilien, noch mehr Koreaner, ein Deutscher und jede Menge Wein und Bier.
Die Amerikanerin die mir schon seit Anfang an auf den Keks geht, bei jedem Pilger immer weiß wie und was er anders besser zu machen hat und sowieso die ganze Welt gesehen hat. Der arme kleine deutsche Mediziner der gerade mit dem Studium fertig geworden ist und mit ihr reist tut mir echt leid. He, die regt sich sogar über den Kamin auf weil’s nach Holz und Rauch im Haus riecht und das ja gesundheitsschädigend sei und der Kamin falsch gebaut wär. Dabei macht das gerade den Flair um diese Jahreszeit in dieser Bude aus.
Trotzdem verrückter zweiter Abend mit Jaremie und den Koreanern. Dieses Mal albern wir noch mehr rum, da war wohl etwas zu viel Wein im Spiel, bis man uns zur Ruhe zwingt. Bevor die mit Knüppeln uns ins Bett jagen geht’s gut abgefüllt ins Schlafgemach zu den ganzen Schnarchnasen die schon an den Betten sägen.
Morgens von den Jungs und Mädels verabschiedet. Endlich wird der Camino wieder richtig spannend: ab von der Hauptstraße hoch auf den höchsten Pass für die meisten Pilger.
Der Nebel verzieht sich, vor mir geht der fast Vollmond unter und hinter mir steigt die Sonne auf. Der Weg zieht sich durch Kiefernwäldchen und steigt kontinuierlich auf 1500 Meter hoch zum Cruz de Ferro. Ich hole die Kanadierin wieder ein und es ist für Stunden kein Pilger auf der Strecke.
Eine harte Nuss. Langsam kurbele ich mich hoch. Nach zwei Stunden kurz unter dem Pass ein verträumtes Dörfchen gerade mal zehn Häuser, absolut kunstvoll rausgeputzt. Hier kommen die ganzen Touriebusladungen durch die auch einmal Jakobsweg Luft schnuppern wollen. Ein Stück weiter der Pass mit Pilgerkreuz auf genau 1500 Metern. Cruz de Ferro: Ein bunter kunstvoller Müllhaufen. Der Ort an dem jeder Brave Pilger einen Stein oder irgend etwas von zu Hause niederlegt. Ganz schön windig Ich mache ein paar Fotos und lasse mir Zeit ein bisschen zwischen all den Gegenständen die hier liegen rumzustöbern. Schuhe, Fotos, bemalte Steine, Ketten und T-Shirts. So viele Pilger die hier irgend einen Gegenstand gelassen haben. Hihi und ein paar alte Radhandschuhe die ich jetzt richtig gut gebrauchen kann. Ungestört kann ich ein paar Fotos machen, sogar von Gegenständen von Pilgern die ich später treffe - Ein Foto wird später sogar von Bedeutung, eine kleine Specksteinschildkröte, von Alina die ich später treffe, die ich ablichte. Zu dem Zeitpunkt hat ihre Kamera versagt, und ich mache ein Bild von SchildKröti die ihr ihre Schwester mitgegeben hat.
Ich komme gerade noch dazu eine Karte von mir an das Kreuz dranzuzustecken als zwei scharen Amis und Japsen in Bussen hier oben angekarrt werden. Jetzt wird’s unruhig und Zeit diesen schrägen Ort mit den tausenden von Bildern und Nachrichten zu verlassen.
Was folgt ist ein Downhill vom feinsten auf dem Camino. Es geht richtig steil fast 1000 Höhenmeter runter. Ein Blick ins Tal und irgendwo schlängelt sich ein steiniger Singletrail talwärts. Das ist mein Ding; Biki und ich, laut schreie ich Bon Camino um die Pilger vor mir zu warnen, die dann fünf sechs Sekunden Zeit haben um zur Seite zu springen. Hier macht Biki eine gute Figur.
Zack, zack, zack über Stock und Stein. Kleine Sprünge und voller Adrenalinrausch. Das Gepäck ist fest an Biki gezurrt und längst habe ich den Dreh raus auch mit so einem schweren Gerät wie ein Steinbock die verblockten Steinwege runterzuhoppeln. Freiheit pur. Manch Pilger die mir den Spaß ansehen und mich nur fett angrinsen. Ich glaube so manch eine Pilger hasst mich für diese Aktion. Keine halbe Stunde Später, der Spaß ist vorbei und ich stehe wieder auf der Straße. Ich rolle an einem Franzosen vorbei der gerade sein Fahrrad mit riesigem beladenem Anhänger Talwärts schiebt. Obelix, so wird er jedenfalls von Priska genannt. Ein herzensliebes, einfaches Kerlchen. Eine Speiche ist gerissen und das Hinterrad hat einen Achter. Ich mache ein paar Bildchen und verabrede mich im nächsten Kaffee mit ihm zum Adressenaustausch. Obelix ist seit zwei Monaten auf dem Rad mit seinem Riesenhänger quasi ohne Geld unterwegs. Jetzt mit dem Speichendefekt ruft er seine Schwester an die ihm doch noch einmal etwas Geld zukommen lassen muss. Wir trinken einen Kaffee den ich ihm ausgebe, ein Pole kommt dazu. Er läuft den Jakobsweg inzwischen wieder zurück nach Hause Richtung Polen. Er sieht noch abgerissener aus als Obelix, tiefe ernste Falten und einen tollen Gesichtsausdruck . Interessant, wie man so zwei abenteuerlustige abgerissene Gestalten, die von noch viel, viel weniger zum leben haben als ich zur Zeit, an einem Ort trifft. Der Pole bettelt morgens für’s Brot und ist nach sechs Monaten in Santiago angekommen, nun auf dem Weg zurück nach Polen und das bei Wintereinbruch. Seine Kinder sind inzwischen groß, die Frau abgehauen und seine Firma ist pleite gegangen. Trotzdem teilt er die paar süßen Stückchen die er in der Tasche hat mit uns. Sogar der Barbesitzer erkennt das wir eher von weniger leben und stellt eine große Schüssel Wallnüsse raus. Als auch die letzte Nuss vernascht ist, ist es Zeit für jeden von uns wieder weiterzuziehen. Es wird flacher, nachmittags noch durch ein kleines Städtchen, ein paar Kilometer später ein Dorf. Es ist dunkel und Zeit für eine Bleibe. Die günstigste Herberge die ich finde in einem Kloster, zwei Zimmer, entlang der Klostermauer, die zum Innenhof offen sind. Der Hosteliero fordert mich auf hinzumachen. Weil wir um sieben zum Essen abgeholt werden. Mir war nicht klar daß das Essen acht Euro kostet. Zwanzig Minuten später sitze ich mit einer amerikanisch - englischen ehemaligen Nonne und einem Spanier im Auto und werde in eine Bar verfrachtet. Für acht Euro bekomme ich immerhin eine Suppe, ein Babysteak mit Pommes und Jogurt zum Nachtisch. Dazu eine Flasche spanischen Weins. Alison und ich verstehen uns richtig gut. Nett mal so in einer kleinen Gruppe zu sein ohne das links und rechts einer dazwischen quakt, so das man sich voll auf die Person einlassen kann.
Wir drei sind die einzigen in der Herberge. Ist auch ziemlich kalt, Heizung gibt es nicht und die Duschen eiskalt. Lustig auch immer das Nichtraucherschild - hier in der Rezeption neben einem Kloster riecht es verdammt stark nach Marihuana.
Das Kerlchen der gerade hier ist lässt mich auch noch den ganzen morgen rumwurschteln, kein Rauswurf um acht. Mein Rad ist ziemlich verschlammt dreckig und ja, es regnet mal wieder. Nach drei Tagen ohne Regen mal wieder was ganz neues. Ich schraube meine Schutzbleche vorne wieder an, die eine Seite muß ich mit Duct Tape kleben. Aber he, habe gerade im TV gesehen, wie sie den RedBull Rennwagen von Sebastian Vettel mit dem Zeug repariert haben; dann werde ich damit doch auch bestimmt mein bisschen Plastik damit fixiert bekommen.
So starte ich mal wieder im Regen, kein Traumwetter aber eine schöne Herbstlandschaft, durch Weinreben und überall Kastanienbäume die ihre Blätter und Kastanien abwerfen.
Allerheiligen. In den Dörfern ein buntes Treiben, alle Blumenläden haben offen und die meisten Menschen die heute draußen sind bringen große Blumensträuße auf den Friedhof.
Zwei Italiener mit Tourenrädern von denen einer eine Muskelkrankheit hat: die eine Seite halb gelähmt, er schlägt sich echt wacker. Wir radeln an einem Tal entlang neben der Autobahn der Pilgerweg neben der für die Gegend doch recht befahrenen Bundesstraße. Nicht wirklich schön aber in gut zehn Kilometern geht es dann wieder von der Rennstrecke ab. Ich bin gerade mal ein paar Minuten den beide vorausgefahren, da treffe ich mein erstes Pferdchen, einem schönem Araber, mit Pilger in grünem Poncho. Die zwei trotten so im Regen vor sich hin, ich rolle ein stück mit und sage Hallo. Alina, das Ding mit dem grünen Poncho auf dem Pferd, spricht nicht nur deutsch sie ist quasi Deutsche die in Holland an der deutschen Grenze wohnt. Das Mädchen ist seit über drei Monaten mit Ihrem Araber Luna unterwegs. Gut gelaunt, wir verstehen uns auf anhieb. Super pilgern wir eine ganze Ecke nebeneinander her und quatschen wie Wasserfälle, so lange bis es Zeit für eine Rast wird. Ja, Alina ist genau so talkative wie ich.
Eine schöne Wiese für den Gaul zum Grasen, mit Bänken und Tisch zum hinsetzen daneben. Ich koche Kaffee im Nieselregen für uns beide. Ab und zu linst die Sonne durch und ein schöner Regenbogen. Die Italiener von vorhin ziehen vorbei, ein lustige deutsche Großfamilie mit fünf Kindern winkt uns zu, von denen mir Alina schon erzählt hatte.
Wir sind gerade wieder am packen da kommt noch ein Spanier mit Rad an und fragt nach einem Schlauch. Sein freund hätte heute den dritten Platten. Gutmütig wie ich bin krame ich einen ganzen Schlauch raus und schenke ihn ihm. Da kommt sein Freund auch schon angeschoben. Die haben noch nicht einmal eine vernünftige Pumpe um Druck auf den Mantel zu geben, kein Wunder wenn man mit halb platten Rädern fährt und dauern Platten bekommt.
Ich kümmere mich eine ganze Zeit um die Räder der Beiden, Alina ist schon eine ganze Weile vorgeritten. Nach ein paar Minuten schrauben laufen die Räder der beiden auch wieder ohne zu klappern. Bremsen kurz justiert und Reifen aufgepumpt. Ich wundere mich schon was für Pappnasen sich aufs Bike setzen aber keine Ahnung davon haben und meinen das passt schon. Da waren die Schnellspanner offen, Bremsklötze schleifen am Mantel, Steuersatz nicht fest und sogar ein Pedale war so lose, das er sie immer mal von Hand festdrehte.
Die ersten die ich einhole, ist die deutsche Familie, für die ist es der letzte Wandertag in den Herbstferien. Was eine witzig Großfamilie, sie zieht vorne einen großen Wagen, er schiebt hinten, im Wagen der jüngste Spross gefolgt von vier weiteren Kindern. Im nächsten Ort stoppen die für eine Runde Limo für die Kids im Café. Ich stoße wieder auf Alina und Pferdchen Luna. Der Camino geht jetzt von der Straße ab und es geht den Berg hoch. Wir waren gewarnt, jeder Pilger der uns von dem großen bevorstehendem Berg erzählte, meinte es geht steil hoch. Ein steiniger Pfad durch lauter Kastanienbäume. So steil das ich schieben muss. Bergauf sind Luna mit Anna auf dem hohen Ross viel schneller als ich. Irgendwo auf halber Strecke machen die beide Halt, warten auf mich und sammeln Kastanien für den Abend zum backen. Wir kommen wieder in höhere, kältere Gefilde. Durch den anstieg ist mir richtig warm, aber kalter Regen setzt ein und kühlt einen genauso schnell wieder aus. Oben Im Zielort auf dem Berg angekommen müssen wir erst einmal eine Bleibe für Luna finden.
Mir ist kalt ich habe nur eine dünne Radhose im Regen an um die anderen Klamotten nicht auch nass zu machen. Im einzigen Touriladen hilft man uns, hat einen Scheunenplatz für Luna.
Einfach den nächsten Camino links runter und in die Scheune ein stück weiter unten.
Ich radle schnell zur Herberge checke ein, lasse meine Sachen da und düse zurück zu Luna und Alina um zu helfen. Der Beschreibung folgend, ganz einfach den Camino zurück, am nächsten Schuppen hantiert Alina schon an einem riesen Eisenkrug der im Weg steht, sogar zu zweit ist der Eisenbottich zu schwer um ihn wegzuzerren.
Und der Schuppen ist auch mehr eine verranzte Müllkammer als Pferdeabstellplatz. Luna steht etwas obendran auf der Wiese, wir versuchen die Burg etwas freizuräumen.
Als wir wieder oben am Laden im Dorf sind fragt man was wir gemacht hätten - erster Camino links sei die Scheune. Die Lady läuft mit uns raus und deutet auf eine deutlich schönere und größere Scheune direkt 30 Meter unter uns
Camino heißt einfach nur Weg, aber weil wir als gute Pilger täglich hunderte mal „Bon Camino!“ wünschen, war für uns beide automatisch mit Camino unser Pilgerweg gemeint und nicht der erste Weg links runter.
Jetzt kommt auch das alte Bäuerchen, und zeigt uns die deutlich schönere Scheune mit Pferdestall. Von oben bekommt Luna sogar noch eine große Portion Heu runtergeschmissen.
So jetzt ist Luna gut versorgt Alina wird sogar mit dem Fahrdienst, von dem echt netten Bäuerlein mit ihrem Gepäck zum Hostel gebracht, ich radele zurück. Nach dieser Aktion ist mir trotz Regens und kälte wieder warm. Die Herberge mit einem gigantischen Schlafsaal, mindesten 30 Doppelbetten. Aber schön warm. Alina kennt die ersten Leute, kein wunder mit dem Pferdchen und dem Plappermäulchen kann man nur auffallen wie ein bunter Hund. Ja, die ersten Wochen waren die sogar zu dritt mit einem kleinen Wuselhund unterwegs, der dann aber krank wurde. Priska, noch ein Mädchen Anfang zwanzig und ja, auch dieses leicht durchgeknallte Zirkus Kind ist schon seit zwei Monaten mit einem Tourenrad von Deutschland aus unterwegs. Sie ist fast die gleiche strecke wie Alina mit Luna geritten aber eben die Straßenversion.
Wir setzten uns in die Küche und ich mache einen großen Topf Pasta. Alina beschneidet die Kastanien die wir vorher gesammelt hatten. Jeder in der Küche hat eine andere Idee die Maronen zu machen.
Wir sind nur so ein leicht aufgedrehter Hühnerhaufen. Ich glaube die anderen Pilger denken die haben ein Rad ab. Stimmt ja fast. Priska und ich sogar zwei, und Alina kommt auf vier Hufe. Dazu noch ein Deutscher Mitte Fünfzig, ein gestandener Bayer der vor Monaten in Nürnberg zu Fuß los ist, und sich an unseren Tisch wagt. He, da sind wir ein Quartett von vier Gestalten die alle seit Monaten Wandern, Radfahren und Reiten. Ein lustiger langer unterhaltsamer Abend. Als eine der letzten gehen wir ins Bett. Ich glaub mich tritt ein Pferd. Bei über 60 Menschen im Schlafsaal ein Luft zum Schneiden und echtes Schnarchkonzert
Wer den Camino ohne die Auberges und Massenunterkünfte mitmacht verpasst was, das ist der Ort des Austauschs von Gedanken, Kommunikation, Körpergerüchen und Schnarchszenarien. Keine Nacht in einer Auberge ohne Schnarcher. Aber der eine hier ist der Knaller. Der klingt so als würde er jede Sekunde kaputt gehen.
Mitten in der Nacht irgendein lauter spanischer Zwischenruf in den Saal, woraufhin fünf, sechs Leute fast nicht mehr aufhören können zu lachen. Herrlich diese Nachtruhe. Ab fünf die ersten die dann schon wieder rumkrusteln und packen, das sind dann meistens sogar die Deutschen.
Wir verlassen die Herberge zu dritt: Alina, Priska und ich haben beschlossen bei Luna im Pferdestall zu Frühstücken.
So fröhlich und nur leicht überdreht wie man nach so einer Nacht sein kann haben wir am Morgen wieder so viel Spaß wie Abends in der Küche zuvor. Auch der Regen kann uns nichts an.
Draußen windet es und wir stecken mitten in großen grauen Wolken. Es geht noch ein ganzes Stück den Berg rauf, fast oben an der Pass Straße ein Jugendtreff, angeschlossenem Kaffee mit einem Kamin vor dem wir uns wärmen. Arme Luna: sie steht draußen im Regen vorm Café und grast.
Es geht noch ein kleines Stück aufwärts und dann wieder alles runter, bis nach Tri Kastela. Alina und ich auf dem Wander-Camino, Priska der Straße. Ich lasse die Finger von den Bremsen und jage den Trail hinab.
Je schneller ich werde um so besser wird das Wetter. Ich habe Spaß verdammt viel Spaß aber dafür bin ich bekannt. Die Pilger dürfen denken was sie wollen. Biki gehorcht aufs Wort, springt links und rechts auf einem verblockten Pfad ins Tal nach Tri Kastela runter. Unten fangen die Kastanienwälder wieder an und die Sonne kommt raus. Einfach nur traumhaft. In Tri Kastela angekommen warte ich ein paar Minuten auf Priska die die Straße runtergerollt kommt und wir suchen die günstigste Herberge: eine Municipal für 5 Euro.
Wirklich schön gelegen genau neben einer Pferdekoppel. Besser geht’s nicht. Gerade als ich frisch geduscht wieder vor die Tür trete kommt Alina mit Luna angeritten. Unsere lustige Dreiergruppe ist wieder vereint.
Für Luna dürfen wir hier überall eine Koppel neben der anderen Pferdekoppel bauen. Nachdem Pferdchen gut versorgt ist geht’s ab ins Dorf Essen Kaufen. Für Luna gibt’s im zweiten Supermercado den ganzen Haferbestand beider Supermärkte. Für uns nur trocken Brot und Käse. Ich kann nicht mehr Kochen weil mein Benzin alle ist.
Der Nachteil diese Herberge: sie besitzt keine Küche. Dafür die heißeste Dusche die ich bis jetzt kannte, eigentlich bin ich ja Warmduscher aber das geht auch an meine Schmerzgrenze.
Dieses Mal zu dritt in einem Viererzimmer untergebracht. Gut das wir einen eigenen Raum haben. Priska, ein kleines Zirkusmädchen durch und durch, turnt und kaspert mit mir hier rum. Sie fährt zuhause Einrad in 1,8 Meter höhe und spielt dazu mit dem Feuer. Voller Lieder im Kopf die sie dauernd vor sich hin trällert und zu jeder Gelegenheit schwirrt ihr ein neuer Song durch den Kopf. Andauernd stellt sie komische Fragen, beide Mädels wollen Geschichten erzählt bekommen.
Obwohl dieses mal keine Schnarcher da sind: eine kurze Nacht. Morgens vom Getippel und Geschwätz der anderen Pilger geweckt packen wir. Wir drei, wieder die letzten die hier frühstücken, aber hier ist niemand der uns hetzt. Soll ich’s erwähnen??? Ja, es regnet, Alina sattelt Luna, Priska und ich die Räder.
Ich schlage vor bevor wir unsere Wege getrennt weitergehen, noch einen gemeinsamen Kaffee zu trinken, mit verheerenden folgen.
Da es wie erwähnt regnet, und damit Luna voll bepackt nicht nass wird, parken wir sie unter eine Überdachung unter der Herberge. Mit dem Seil, wie sie es kennt, hüfthoch eingezäunt.
Wir haben uns gerade ins Café oben dran gesetzt da meint jemand ein Pferdchen rumspringen zu sehen. Luna galoppiert wild und von irgendetwas aufgeschreckt auf die andere Pferdekoppel.
Das schwächste Glied an unserer Umzäunung war eine Regenrinne die Luna komplett aus der Wandgerissen hat. Alle drei Elemente vom Fallrohr, so sieben Meter bis oben hin, mit vier Dübel sind aus der Wand gerissen.
Schlimmer noch ist das Luna nun im Rodeo Style den Zaun zu den andern Pferden eingerissen hat und sich dieses Plastikband zwischen ihren Hufen verfangen hat. Immer noch mit dem ganzen Gepäck von Alina auf dem Rücken – oder besser: nur noch dem halben Gepäck. Den Rest über mehrere hundert Meter verteilt. Der Sattel hängt inzwischen nach unten am Bauch und die Koppelschnur verknotet zwischen Lunas Beinen.
Das ganze dauert keine zwei Minuten. Alena schreit nach einem Messer und Priska die ihr nachgeeilt ist hat eins griffbereit in der Tasche. Ich versuche die anderen beiden inzwischen auch aufgebrachten Pferdchen auf der Koppel zu halten.
Das gelingt auch und die Situation beruhigt sich.
So, jetzt sind wir erst einmal auch ohne Kaffee hellwach und nass.
Luna hat einen neuen Paddock gebaut bekommen und humpelt sichtlich, gleich an zwei Beinen vorne und hinten lahmt sie.
Alina beruhigt noch etwas ihr Pferdchen und gibt mir den Auftrag einen Tierarzt aufzutreiben.
Null Problemo. Im Café oben dran wo wir eh schon unsere Sachen liegen und stehen ließen, brauche ich nur Vet Med zu sagen, ein bisschen mit Händen und Füßen zu gestikulieren, und ein Bäuerchen in Gummistiefeln der hier gegen zehn Uhr seinen erstes Weinchen trinkt zieht sein Handy und ruft den Tierarzt.
Der verordnet vier Tage Pause. Hurra Ostern im Regen. Jetzt werden Alinas Sachen die Luna kreuz und quer über eine riesige Wiese und eine Pferdekoppel verteilt hat von uns dreien wieder eingesammelt. Tagebuch, Reisepass, Zahnbürste und Klamotten, Luna hat so ziemlich alles was in den Taschen war auf dem Gelände verteilt und wir sammeln den nassen Kram ein. Im Regen richte ich wieder das Fallrohr, habe ich auch noch nie gemacht. Ich schiebe die Elemente zusammen und drücke die Dübel fünf Meter über mir wieder in die Wand und werde klitschenass, aber immerhin hält’s und die Hospitalieros finden es auch ok.
So erreiche ich Tempo Stopp auf dem Camino, mir tun Alina mit Luna leid, und ich habe für mich beschlossen den beiden zu helfen. Auch Priska unser Zirkusmädchen bleibt heute noch.
Es ist Samstag und schwierig überhaupt Futter zu bekommen. Kein Bauer in der Umgebung der Tierfutter abgibt. Den Haferbestand des Supermarkts hatten wir ja schon gestern aufgekauft, und so bekommt Luna am Abend für 20 Euro Cornflakes.
Die vier Tage Tri Kastela vergehen Ratzifatzi. Sachen trocknen, den Sattel mit ein paar Kabelbindern wieder gerichtet, Futtersuche, immer mal wieder ein paar bekannte Pilger die man kennt die hier übernachten, oder nur einen Kaffee mittrinken und weiterziehen.
Sonntag mittags mache ich mich wieder auf Futtersuche,
erst heißt es im Ort würde jemand nur Sonntags Tierfutter verkaufen, was natürlich nicht stimmte. Zum ersten Mal bin ich richtig angenervt von den Spaniern. Ich radele zwei Dörfer den Hügel hoch,
zurück und frage an jedem Bauernhof nach Pferdefutter. Erst wollen sie mich nicht verstehen und dann schicken sie mich weg. Ich habe das Gefühl, das einfach zu viele Pilger hier vorbeiziehen und das
die Dorfbevölkerung einfach keinen Bock mehr auf dieses Fuß- und Radvolk hat. Die die mit den Pilgern zu tun haben sind super nett. In dem Hostel werden wir einfach nur zu süß behandelt, bekommen
sogar ein eigenes Zimmer. Ich radle die ganze Piste zurück und überlege bis in die nächste Stadt zu fahren um Avena - Hafer zu bekommen. Auf halber strecke im Tal ein Maisfeld. He, hat Luna gestern
nicht Cornflakes bekommen? Ich ernte soo viel Mais wie in meine Ortlieb Radtasche reinpasst, und da passt so einiges rein. Alina und Luna freuen sich. Allerdings ist Luna eine kleine Prinzessin und
Alina muss den Mais von den ganzen Kolben ab puhlen, aber es ist genug Futter für die nächsten Tage.
Was ein Luxus, unser eigenes Zimmer, fast langweilig so ohne Schnarchnasen im Nachbarbett. Aber die notorischen Frühaufsteher gibt’s auch hier. Liebevoll auch Nachtschichtpilger getauft. Selbst jetzt
im Spätherbst stehen manche um fünf Uhr morgens auf um gegen sechs Uhr loszuziehen. Im Sommer muss es noch schlimmer sein. Den besten Ruf haben die Deutschen. Da scheinen manche im Sommer schon um 12
Uhr vor der nächsten Herberge Schlange zu stehen um sich einen Schlafplatz zu ergattern. He, bis 12 Uhr: um die Zeit fange ich gerade an, mich warmgeradelt zu haben.
Nein ich glaube Priska, Alina und mich könnte man in unserem Zustand auch keiner anderen Pilgergruppe zumuten, einfach zu abgedreht - bescheuert aber witzig wie wir uns verständigen. Ein halten gibt’s da nicht mehr, und ich bin es nicht Alleine der sich hier zum Affen macht.
So sind die vier Tage nicht unbedingt relaxen aber so
ein bisschen entspannen kann man schon.
Es wird Zeit weiter zu kommen, selbst Luna scharrt nach der Antibiotika Kur wieder mit den Hufen.
Es ist Dienstag der 6. November, wir fühlen uns hier inzwischen so heimisch, das wir im Bett frühstücken.
Endlich lacht auch die Sonne wieder und am Morgen mit den letzten Pilgern hier verlassen wir diese nette Herberge. So fröhlich so fröhlich, ach was sind wir doch so fröhlich. Alina läuft neben Luna und ich tuckere mal vorne mal hinten dran neben den Pilgern her, nerve den ein oder anderen, oder wir gehen zusammen gut motiviert auf die Pilger los. Das erste Stück der Straße folgend und gleich einen Umweg von sechs sieben Kilometern eingelegt. Anstelle über den Bergrücken folgen wir einem verträumten Flußlauf durch Kastanienwälder.
Abends, hinter Sarria, finden wir einen schöne große Wiese mit Flußlauf. Luna bekommt ein riesen Paddock - Pferdekoppel abgesteckt. Alle Schnüre, Seile und Wäscheleinen die wir haben werden zusammengeknotet und aus Trauerweiden werden Zaunpfosten geschnitzt.
Wir stellen unsere Zeltchen in der Koppel auf und ich koche endlich wieder warm.
Morgens leichter Bodenfrost, ein toller Sonnenaufgang und Luna die in ihrem riesigen Paddock völlig aufdreht und Vollgas gibt. Ihr geht’s wieder nur zu gut, auf dem gefrorenem Rasen läuft sie Schlittschuh, buckelt, schlägt Haken wie ein Rodeo Pferd.
Die ersten Pilger die an uns vorbeiziehen, ich fange gerade an wach zu werden und mache Kaffee.
Da kommt mal wieder Jaremie, der seine verflossene Liebe - die Chilenin - gegen eine Deutsche ausgetauscht hat, noch von zwei weitern Ladies umringt, vorbei.
Eine viertel Stunde später Besuch von Lan, einem sooo lieben Chinesen. Ich hatte ihn schon gestern getroffen, er ist dann aber an einer Abzweigung links runter an der Alina schon gerade aus vorgeritten war.
Ich freue mich richtig ihn wieder zu sehen. Er ist einer der Menschen auf dem Jakobsweg gewesen, die ich sofort in mein Herz geschlossen habe. Einfach nur zu süß wie zart er mit Luna umgeht. Gemeinsam trinken wir Kaffee und er rennt dann seinem Caminopartner einem etwas schrägem Franzosen hinterher. Schade, ich treffe ihn nicht mehr.
Vor allem aber die Biker die nur noch ein Bon Camino so halb rauskotzen. Hier denke ich oft, die sollten doch lieber mal die Fresse halten als so ein rumgekotze, und noch nicht einmal klingeln oder was von hinten zurufen können, so das Lunchen öfters auch mal erschrickt.
Alina, Luna und ich machen momentan genauso viel Meter wie die meisten Pilger im Schnitt , gut zwanzig Kilometer, nur das wir eben abends draußen im Zelt schlafen, oder sonst wo einen Unterschlupf suchen, so das Pferdchen Abends eben eine Koppel, oder einen guten Unterstellplatz bekommt. Luna steht bei Alina immer an erster Stelle, erst wird für Futter und ein ordentliches Plätzchen für Pferdchen gesorgt, ehe eine Herberge mit warmer Dusche angesteuert wird.
Ich düse nachmittags vor um in Portomarín einzukaufen und wir treffen uns hinter dem Städtchen am Friedhof. Unglaublich, wir hatten anderthalb Tage Sonne, jetzt macht sich’s wieder zu. Der Jakobsweg zieht sich durch ein Wäldchen nach oben. Wir schwitzen ganz gut und Nieselregen setzt ein.
Willkommen in Galicien, April ist ein Scheissdreck dagegen: mal 16 Grad am Tag, Nachts Frost, Regen und Sonnenschein gepaart mit Hagel der bis zu drei Tage liegen bleibt .Der Niesel verstärkt sich und im Regen erreichen wir die Höhe in Dunkelheit. Ich ziehe los um ein trockenes Plätzchen zu finden. 500 Meter weiter, ein kleiner Ort mit fünf Höfen, von denen ich runtergejagt werde, und selbst die Bauern im Traktor absolut nicht hilfsbereit. Das hätte ich nicht erwartet. Einzig in einer großen Lagerhalle Jemand der mir einen Schlafplatz unter einem nicht ganz trockenem veröltem Schrauber-Carport anbietet. Keine Alternative da für Luna in keinster weise geeignet.
So tucker ich durch Regen zurück und wir schlagen unser Lager in einem Kieferwäldchen auf, daneben eine saftige Wiese für Luna. Alina baut im Regen die Pferdekoppel. Wir erzählen uns Witze um uns zu motivieren. Kein Spaß bei Pisswetter bei Dunkelheit das Zelt aufzubauen. Trotzdem ist die Stimmung gut. Nee, Alina ist was das betrifft ein echt hartes Mädchen. Ich koche im Regen, was gar nicht so ganz einfach ist, Alina bekommt meine letzten warmen Klamotten für die Nacht. Für mich bleibt noch eine warme Jogginghose. Immerhin regnet es am morgen nicht mehr und wir bauen unsere feuchten Zelte ab, die jetzt so nass wie ein Waschlappen sind, gut das doppelte wiegen wie im trockenzustand. Alina hat sich einiges vorgenommen. Sie will bis zum 14ten November Finisterre erreicht haben. Das liegt noch einmal knapp 100 Kilometer hinter Santiago.
Donnerstag der Achte November. Gut gefrühstückt und gut gelaunt geht’s los. Alle unsere Klamotten klamm oder nass, deshalb beschließen wir wenigstens Abends eine Auberge anzusteuern um eine warme Dusche zu nehmen und die Klamotten durch den Wäschetrockner zu jagen. Mittags treffen wir mal wieder Jaremie, umringt von drei Mädchen und einem kleinem amerikanischem Teenager. Jaremie lässt seinen französischen Charme spielen, sitzt wie ein Cowboy mit Schlapphut und Zigarette im Mundwinkel, auf dem Zaun und die Ladys wie Hühnchen um ihn herum. Ein kurzes „Hallo“ und wir trotten weiter. Ein netter Bauer der Alina einen großen Sack Heu schenkt. Ja hier ist die Welt wieder in Ordnung. Schon Tags zuvor war da eine nette Bäuerin die Alina für Luna fünf Kilo Kraftfutter schenkte.
Hatte ich erwähnt das wir durch Galicien wandern???
Der Regen setzt wieder ein und der Strohsack auf Lunas rücken hält nicht. Also kommen zu Möhrchen kiloweise Kraftfutter in meinen Packtaschen noch ein großer Sack Stroh hinten auf den Gepäckträger von Biki. Langsam komme ich mir vor wie der Lastesel. Voll beladen düse ich nach vorne um auszukundschaften ob die Herberge drei Kilometer hinter Palas de Rei in Xian Culan de Camino für Pferde geeignet ist. Das ist der dritte oder vierte Ort auf dem Jakobsweg, der für mich völlig chinesisch klingt. Die ganzen Koreaner dürften sich wohl fühlen, zumindestens bei der Aussprache dieser Orte. Nur zu gut das ich diesen Ort ausgekundschaftet habe. Die Herberge ist schon seit Wochen zu, selbst die Bauarbeiter die im Haus nebenan Handwerken, wußten noch nicht einmal das es hier eine Herberg gibt. Wahrscheinlich war’s völlig unnötig vorzuradeln. Ein galicischer Turboschauer, jetzt ist jeder der nur eine Minuten draußen steht pitschnass.
Durch den Regen zurück nach Palas de Rei, halte Ausschau unten im Ort nach einem Pferdestellplatz, Koppel oder irgendwas mit Dach für Luna. Wieder oben im Dorf auf der Suche nach einer Herberge stehen da schon Alina und Luna mitten im Regen auf der anderen Straßenseite. Ja, verloren kann man sich hier nicht gehen. 200 Meter weiter die Auberge Municipal die alle immer 5 Euro kosten. Als erstes muss ein Stellplatz für Luna her, nichts wirklich passendes was ich unten erspäht hatte. Echt nett, der Ladenbesitzer von gegenüber kommt mit drei großen Zucchinis an, aber Prinzessin Luna verschmäht diesen Leckerbissen. Ich stell meine Sachen in der Herberge unter, gebe dort bescheid das wir zu zweit bald wieder kommen. Draußen hat Alina schon kontakt zu einem riesigem Spanier mit Baseball Cap und Ohrringen, der irgendetwas indianisches an sich hat. Er verspricht in fünf Minute wieder da zu sein. Arme Alina, zitternd wie ein begossener Pudel warten wir unter der Marktdachhalle lange spanische fünf Minuten, bis das Kerlchen wieder kommt. Tatsächlich hat er eine Adresse um Luna unterzubringen. Die alte Markthalle für den Tiermarkt am Ende des Dorfes. Aber unser spanisch ist doch etwas dürftig um zu verstehen was genau er meint. Auf halben weg runter ins Dorf ein Rettungswagenfahrer der anhält. Er ist auch informiert und eingeweiht und zeigt uns den Weg. Der nette lange Lulatsch von vorhin taucht auch wieder auf. Echt, ohne deren Hilfe hätten wir die Halle wohl nie gefunden. Er gibt uns sogar einen Schlüssel für das Tor, wartet bis wir fertig sind und fährt uns im Anschluss wieder pitschnass wie wir sind hoch in die Herberge.
Langsam fangen die Spanier wieder an, Pluspunkte zu sammeln. Endlich mal ein paar Spanier die wirklich hilfsbereit sind.
Alle die heute in der Herberge eintrudeln sind nass bis auf die Knochen. Bei dem Wetter hilft die beste Outdoor Kleidung nichts mehr. Selbst nach zwei runden Trockner ist nicht alles ganz trocken geworden.
Alina kriecht nach einer kurzen Dusche ins Bett um sich aufzuwärmen.
Abends muss Alina noch einmal raus in den Regen, runter ins Dorf um Luna den Strohballen zu bringen der immer noch auf Biki ist.
Im Schlafsaal wird wieder getratscht, manche gehen mir echt auf den Keks: beschweren sich wie dreckig der Boden sei - wie kalt die Dusche ist und das es aus dem Waschraum müffelt.
He, anstelle glücklich und gutgelaunt zu sein ein warmes Plätzchen zu haben mit netter Rezeption und das ganze für fünf Euro.
Auch die Duschen werden wieder warm wenn man nur ein bisschen wartet. Ach ja für 5 Euro erwarte ich auch mal mindestens ein drei Sterne Hotel
Ja, aber der Regen zieht die meisten Menschen doch etwas runter und sie werden mürrischer. Sogar ich bin ganz gut erledigt - obwohl wir nur zwanzig Kilometer weit gekommen sind. Zelte und Klamotten trocknen, eine Stunde im Regen rumstehen bis wir Luna untergebracht hatten, das kostet schon Energie. Als erstes kommt ja immer Luna: erst einen Schlafplatz finden und vorher oder nachher noch Futter finden.
Auch Alina ist ganz schön fertig und liegt ausnahmsweise mal ganz ruhig und verkriecht sich gleich wieder unter die Decke. Ist das Alina etwa(s) kaputt??? Im Supermarkt organisiere ich Kakao für Alina: die Kakao-Tante die lieber Kakao als Kaffee trinkt. Das Nesquick Pulver entpuppt sich fälschlicher Weise als Bananenmilch aber Alina scheint’s egal zu sein. Hauptsache warme, süße Milch. Aus den Supermercados muß ich Alina auch immer irgendwelche künstlichen Erdbeer-Joguhrt Drinks mitbringen. Aber he, hier auf dem Camino haben die meisten anderen einen noch viel größeren Schlag. Bei mir ist es der Keksverbrauch. Eine bis zwei rollen Doppelkekse sind momentan täglich drin, dabei radele ich noch nicht einmal die hälfte von dem was ich normalerweise abstrampel.
Dafür aber mit doppelter Beladung für Biki das auf dem Pilgerpfad. Es gibt einen „Radweg“ auf der Straße und dem Camino für die Fußpilger der oft mal über Stock und Stein, steil, steinig runter und wieder hoch geht.
Klar für die MTBler mit kleinem Rucksack kein Problem aber an so manch einer Rampe kämpfe ich mit Biki und quäle die Kette ganz schön. Die fast vierzig Kilo die ich auf dem Rad habe ein echter Test für Gepäcktaschen und Gepäckträger.
Biki sieht auch nicht mehr so ganz taufrisch aus und Hippo, mein Maskottchen vorne, fühlt sich auch Pudelwohl; soo schlammgebadet. Nilpferdchen eben. Der nächste Tag Beginnt in einer dicken Nebelwolke. Unten im Aufenthaltsraum werden wir nach dem Frühstück mal wieder als die letzten aus der Herberge gekehrt. Das ist der Grund warum ich die öffentlichen Herbergen verteufel. Morgens kannste nicht mehr richtig ausschlafen. Die meisten die früh morgens laut rumkruscheln, dich mit ihren Stirnlampen blenden um vor sechs los zu pilgern. He, frühestens ab neun wird’s hell. Was machen die so früh. Ich will gar nicht wissen wie es hier im Sommer abgeht. Dabei sind wir gar nicht mehr so weit von Santiago entfernt und jeder erzählt davon wiiiie langsam er geworden ist. Yakyakyak raus in den Nebel. In den Cafés sitzen die Pilger, die schöneres Wetter abwarten. Auf der Straße schlaue Amis die mich immer noch nach dem Weg fragen können. Haben die es nach den achthundert Kilometern immer noch nicht geschnallt??? Da gibt’s überall diesen gelben Pfeil auf der Straße, den Laternen, Hausecken und wem das nicht reicht noch Wegsteine mit der Muschel. Aber vielleicht wollten die auch nur Aufmerksamkeit oder sind einfach nur Blind. Aber gerne gebe ich den Tipp doch einfach auf den gelben Pfeil zu achten und zeige ihnen den Weg.
Im Pferdestall putze und pflege ich Biki. Und mache die Kette und Gabel ein x-tes Mal wieder gangbar. Langsam wird das Wetter schöner. Ich lasse Alina ein Stückchen alleine, radle in den nächsten Ort vor und setze mich in ein Café. Frechheit, jetzt scheint die Sonne derart das ich mich von der Terrasse nach drinnen verziehe um an meinem Lappi die Bilder zu bearbeiten und ein paar Emails zu schreiben. Im ganzen Ort genau eine Packung Hafer neben den Cornflakes für Luna in den drei Supermärkten gefunden. Der Einkauf den ich mache ist inzwischen voll auf Pferdchen fixiert. Unser Müsli, Nudeln, Obst habe ich in ein paar Minuten zusammen aber Avena zu bekommen: ein Ding der Unmöglichkeit. Und von den 500 Gramm Hafer bekommt Luna wohl erst Hunger als dass es satt macht. Na gut, dann eben nochmal drei Kilo Karotten. Nachmittags treffen wir uns wieder, zwischendrin sammele ich all die Pilger die ich am Vormittag überholte, ein zweites Mal ein. Nein, man kennt sich inzwischen. Einfach nett der Camino, ohne jedem noch groß Bon Camino zurufen zu müssen ein nettes Hallo Anjong Hi genügt. He, dieses Bon Camino geht den meisten wohl schon längst auf den Sack – obwohl; manchmal ertappe ich mich wie es so ganz automatisch aus mir rauskommt.
Abends hat Alina eine Herberge in einem netten Nest in Aussicht die Pferde aufnimmt.
Kurz davor eine Auberge. Die behaupten das hier im Ort nirgends Pferde aufgenommen werden. Klare Lüge, aber der Konkurrenzkampf der günstigen Auberges ist riesig, keine 50 Meter weiter eine echt nette Bleibe für einen Euro mehr, wo wir Luna umsonst im Garten abstellen können. Wir sind einer der letzten Pilger in dieser Herberge. In einer Woche macht diese Herberge zu. Internet ist schon abbestellt, kaum noch Gas in der Küche zum Kochen, dafür sind die Duschen schön warm, groß und sauber. Im Garten ist Luna die Attraktion. Eine koreanische Familie mit drei kleinen Kids, die den Camino abtigern und immer mal den Bus für einige Kilometer nehmen. Ein Kanadier der echt nett und vorsichtig mit Luna umgeht, echt süß; fast so zart wie der Chinese vor zwei Tagen. Könnte auch schwul sein so sensibel wie er hier auftritt. Später erlebe ich ihn als absoluten Dauerschwätzer in Finesterra. Keine Ahnung was er am Abend genommen hat. An dem Morgen wo ich die Herberge in Finesterra besuche, fragt er jeden zweiten nach LSD.
Alina ist noch ziemlich geschafft vom Wetter und der ganzen Aktion. Vom Herbergspapa wird sie in den nächsten Ort mitgenommen und bekommt jede menge Futter für Luna umsonst. Wozu schleppe ich dann bitte die fünf Kilo Extrafutter für Pferdchen auf Biki rum??? Aber das ist ja immer so, nimmste einen Regenschirm mit regnet’s nie - naja ich glaube hier für Galicien funktioniert das nicht wirklich.
Alina ist nach der Aktion so müde das sie ohne Essen ins Bett fällt. In der Küche ein großer Tisch mit lauter Koreanern. Die Familie mit ihren Kids. Ein Pärchen und ein Vater Tochter Team und ich als einziger Ausländer. Anjong, Hallo Korea! Langsam kann ich schon fast so gut koreanisch wie spanisch. Eigentlich gar nicht aber das mit der Kommunikation funktioniert. He, vor ein paar Tagen hatten wir ja sogar mit dreien Scrabble gespielt. Ganz soo viele Koreaner wie noch vor einer Woche sind es nicht mehr aber bestimmt noch so zwanzig, dreißig Prozent, hier am Wegrand. Ich werde zum Abendessen eingeladen - wenn ich’s denn vertrage. Aber he, ich bin damals mit dem Rad Monate lang durch China und habe die Sichuan-Küche kennengelernt. Trotzdem verdammt lange her das ich eine so scharfe Suppe auslöffelte. Da sitzen acht Koreaner und beobachten meine Gesichtszüge, wie ich die Suppe runterlöffel. Anerkennungsvoll nicken sie und behaupten ich sei der erste Pilger der nach dem ersten Löffel den Löffel nicht abgibt. So ab dem fünften geht’s, aber der Magen bedankt sich am Morgen mit leichtem Durchfall.
Der letzte Tag vor Santiago. Gut geschlafen; so mal ganz ohne Schnarcher im Schlafraum, oder ich habe so fest geschlafen das ich ihn nicht bemerkt habe.
Die letzten Meter durch die schönen Eukalyptuswälder Nordspaniens. Nur die Koalabärchen Australiens und die Sonne fehlen. Lustig wie schnell sich das Landschaftsbild hier ändert.
Vor kurzem noch die ganzen Kastanienwälder mit den Monsterstämmen und jetzt diese langen Eukalyptusbäume. Durch die Wälder ein Pfad mit gelben Pfeilen. Die letzten Wegsteine sind immer mal lustig gestaltet oder verkleidet. Ein schönes Bild wenn die Sonne immer mal durch die Wolkendecke durchlinselt und einen goldenen Schatten über die Wälder wirft.
Alina legt den Turbo ein. Fast dreißig Kilometer die wir vorankommen. Fünf Kilometer vor der Stadtgrenze Santiagos.
Alina hat in irgendwelchen Blogs gelesen, das Pferde nur mit Genehmigung in die Stadt dürfen und vor zehn Uhr morgens wieder draußen sein müssen. Hervorragend: genau hier ist ein Pferdegestüt.
Ich warte lange draußen bis Alina es geschafft hat für Luna einen Pferdebox zu bekommen.
Jeder Gaul der rein und rauskommt, muss hier registriert werden. Angeblich hätte sie auch Papiere gebraucht um mit Luna nach Spanien einzureisen, aber von der Problematik mit Pferden in Santiago kein Wort.
Wir dürfen in einer Holzhütte vor der Reithalle
schlafen, mit Abendprogramm in der Reithalle. Der arme Gaul da drinnen tut mir echt Leid, eine Tussi mit echtem Pferdearsch der soo groß ist wie der des Pferdes, und bei jedem Schritt sich in das
Kreuz des Pferdes reinfallen lässt. Das tut mir ja sogar als Nichtreiter weh.
Die Lichter in der Reithalle gehen aus und eine kurze, regnerische Nacht steht bevor. Gut das wir im trockenen liegen. Dieses Mal werden wir ausnahmsweise auch zur Nachtschicht Pilgern. Einmal muss
man ja das mitmachen wofür wir deutschen hier auf dem Jakobsweg verschriehen sind.
Um vier Uhr klingelt der Wecker. Bis kurz vor sechs ist Luna fertig gesattelt und ich habe jede Menge neues Pferdefutter in meinen Satteltaschen vergraben. Wir müssen das arme Mädchen wecken die auf dem Reithof mit den ganzen Pferden und Hunden schläft, um uns rauszulassen.
In der Dunkelheit und bei strömenden Regen erreichen wir
die Stadtmauer Santiagos.
Durch buntes Neonlicht der Stadt, immer mal ein paar besoffene Jugendliche, die die Nacht durchgemacht haben und jetzt erst auf dem Heimweg sind. Es ist fast geschafft, der Innenstadtbereich mit
seinen wunderschönen engen Gassen.
Immerhin hat der Regen etwas nachgelassen.
Da stehen wir wie zwei nasskalt vor der Kathedrale. Noch so ein paar Nachtwanderer. Eine kleine dreiergruppe Pilger, die schon eine ganze Stunde hier verweilen, die Ruhe vor der Kathedrale genießen, ohne die Masse der Pilger die hier bald wieder eintrudeln.
Ja und dank Radio Camino kannten die Drei schon unsere
Geschichte. Die eine mit dem Pferd und der mit dem Rad Richtung Afrika unterwegs sind.
Die obligatorischen Fotos werden gemacht. Nur ein Hotel das jetzt schon offen hat. Ganze 1,80 Euro kostet hier der Kaffee und Alinas heiße Schokolade. Aber uns ist so kalt das wir uns sogar an einer
zweiten Tasse wärmen. Zur dritten Tasse reicht’s nicht mehr weil da schon die Polizei auftaucht und uns erklärt, das Pferde überhaupt nicht in die Stadt dürfen. Dabei wollten wir doch nur bis zehn
abwarten um uns die Urkunde - Compostela hier abholen, weil das Office erst ab 10 Uhr offen hat.
Irgendwie kann ich’s verstehen, zu mindestens als Schutz für die Pferde, vor den ganzen Pilgern im Sommer, aber momentan ist hier mal gar nichts los, mit den drei anderen vorhin sind wir die einzigen. Zumal auf dem Pilgerpass den sich jeder vor dieser Reise anlegt ob man zu Fuß mit Rad oder Pferd unterwegs ist.
So ein Credencial wie unser Reiseausweis hier heißt, zum Vorzeigen und abstempeln in den Herbergen alle Nase lang abstempelt wir um seine Reise zu dokumentieren und sogar darauf Pferde als Reisemittel mit angegeben ist, um am ende seine Compostela zu bekommen.
Also ob man den Jakobsweg eben zu Fuß mit Fahrrad oder eben Pferd macht. Der Polizist ist aber echt hilfsbereit, telefoniert so lange rum bis er einen Platz in einem Park für Luna hat.
Knapp zwei Kilometer hinter der Kathedrale ist ein kleiner Park, wir dürfen so lange bleiben, bis Alina mit ihrer Compostela wieder erscheint.
So kommt’s das wir keine vier Stunden nach dem wir Santiago erreicht haben, die Stadt wieder verlassen. Dem Ort wo die Reise der meisten Pilger endet, wir wollen noch ein Stück weiter.
Die letzten 88 Kilometer nach Finisterre, dem Wahren Ende des Caminos in Richtung Atlantikküste.
Galicien grüßt; heute morgen noch der Weltregen und kurz hinter der Stadt blinzelt die Sonne durch. Hinter Santiago, auf der ersten schönen Wiese wird Luna zum Grasen geparkt. Müde legen uns auf die Regenmäntel in die nasse Wiese um ein bisschen die Sonnenstrahlen zu tanken. Wie süß: zwei ältere Frauen fragen uns ob wir Kaffee wollen und räumen uns einen alten Holztisch im Garten nebenan frei. Dann kommen die mit Frischen Kaffee, jeder Menge Plätzchen, Zwiebelkuchen und einer Handvoll riesiger Esskastanien. Das was wir nicht schaffen packen die uns ein und geben sie uns mit. He, es gibt doch noch Plätze wo die Leute nicht ganz die Schnauze voll haben vor uns Pilgern. Nach all den Negativerfahrungen von Tri Kastella fangen die Spanier wieder richtig an Pluspunkte bei mir zu sammeln. Es wird in traumhafter Tag mit den schönsten Regenbogen die ich je in meinem Leben erleben durfte. Alina reitet ein stück vor und verläuft sich etwas. Hihi, wer hat da nicht auf den gelben Pfeil geachtet???? - Normalerweise bin ich es mit dem Rad der öfters übers Ziel hinausschießt, aber dank Navi merke ich das meistens schon nach zehn, zwanzig Metern. An dem Punkt wo ich auf sie warte treffe ich ein Kanadier, Colin. Wir verstehen uns auf anhieb super, und so trotten wir zu dritt durch diesen nun wirklich schönen Tag weiter. Das lustige ist das Colin den selben Nachnamen hat wie einst der Diplomvater von meinem Dad und sogar in der gleichen Straße von Vancouver wohnte wie er. Es muß vor Jahren sogar eine witzige Verwechslungsgeschichte dieser beiden Michael Smiths gegeben haben
Ja manchmal ist die Welt eben ein verdammt kleines Dorf. Die Nester durch die wir jetzt kommen, bieten ein einziges Kläffkonzert. Uns allen dreien ist das soo vorher noch nicht aufgefallen. Hunderte Hunde in allen Größen und Rassen, die alle bellen, teilweise schon richtig heiser vom Kläffen. Straßentölen von der Größe einer Katze bis zu der eines Schafs. Ein Hundekonzert das in jedem Dorf auf neue anfängt. He, wir können uns fast nicht unterhalten, so laut sind die, wir machen einfach mit, (kl)äffen ein bisschen nach, haben Spaß die Hunde zu animieren. Wir singen Old Mac Donald und spielen Wer kann die meisten Tiertöne von sich geben - biegen uns vor lachen. Dieser Tag: ein Traum! Das Wetter von der spannendsten Seite, die schönsten Regenbögen über den Euklyptuswäldern in einer verspielten steilen Hügellandschaft. Die Pfade so steil das ich fast nicht radeln kann und schieben muss. Macht aber nichts, wenn man von so netten Menschen umgeben ist und wie ein Wasserfall geplappert wird.
Wir sind seit vier Uhr morgens wach und einigermaßen geschafft, es ist noch nicht all zu spät am Mittag, da steht ein nicht fertiggestellter Neubau am Ende eines Dorfs. Genau die richtige Bleibe für uns und Luna, dahinter eine große Wiese zum Grasen, daneben ein riesiges Maisfeld. Dabei habe ich noch Kiloweise Lunafutter vom Pferdestall heute morgen im Gepäck.
Hier beziehen wir Quartier, bauen eine Pferdekoppel und ich mopse aus einem Kuhstall an dem wir kurz vorher vorbei sind, einen Strohballen. Für Luna haben wir jede Menge Futter. Für uns habe ich nur noch ein paar Nudeln und einen Rest Käse. Das reicht immerhin noch für super lecker Käsenudeln und die Kekse von heute Mittag sind auch noch da. Zudem ein strahlender Sonnenuntergang und das versprechen Colins das das schöne Wetter jetzt ein paar Tage hält.
Eine letzte lustige Nacht mit Alina. Nee, ich glaube niemand hätte es geschafft, uns die Laune zu verderben. Wir gackern in unserm Nachtlager rum bis wir beide todmüde im Stroh einschlafen.
Tags darauf startet Alina ein Stündchen vor mir. Bis zur nächsten Stadt habe ich sie wieder eingeholt, um uns kurz dahinter wieder zu verabschieden.
Alina möchte das letzte Stückchen bis Finisterre alleine Reiten. Ich mit sechs Kilo weniger Futter und Pferdekram in den Taschen, fliege nun Richtung Küste. Noch einmal an einigen Pilgern vorbeigezogen. Heute kenne ich nicht mehr all zu viele. Die letzten zwei, drei Tage waren wir etwas schneller unterwegs. Noch einmal an Colin vorbei und nachmittags ein japanisches Pärchen. Insgesamt hat der Pilgerstro,m aber schwer abgenommen nur noch ein geringer Satz Pilger die von Santiago an die Küste kommen.
Wie angenehm keine hundert mal Bon Camino und von MTBlern gar keine Spur mehr, nur ein einheimischer Yuppie mit Carbonfully der freundlich grüßt. Die letzten Berge voll von Windrädern bedeckt über der Küste. Es riecht schon nach Salzwasser und am Horizont zeigt sich das Meer. Da stehe ich oben, unter mir der Atlantik und vor mir die Sonne die schon ziemlich tief am Himmel steht, was ein Bild und rein in die letzte steile Abfahrt.
Yakyakyakyak, Cee ich komme, noch ein großer Ort vor Finesterra. Ein Downhill der es in sich hat: Mit Gebrüll und Geschrei über Faustgroße Steine nach unten gestürzt. Hey, da hatte ich ja fast die Kontrolle verloren. Sau schwierig den Downhill und die Landschaft gleichzeitig zu genießen. Dazu die untergehende Sonne die mich blendet. Was ein Spaß und Glück: meine Gabel verzeiht ja so manch einen Fahrfehler. Am Wegrand keine Pilger mehr zum erschrecken :( nur zwei ältere Bäuerchen die sich auf ihren Stöcken abstützen und etwas verdutzt schauen, und ich fröhlich mein Buenas Dias zurufe, gleich wieder vorbeigeflogen Bin, um auf den Weg zu achten. Unten in Cee angekommen geht die Sonne über dem Meer unter. Im Supermarkt ein Deutscher der mir eine obskure Story erzählt, wie er in Finesterra vor zwei Tagen komplett ausgeraubt worden sei, vom Pfarrer einen Koffer alter Klamotten und vom Muschelverkäufer Peter aufgenommen und für zwei Nächte aufgenommen wurde. Armes Kerlchen, dessen Story so nicht ganz stimmen kann, weder den Pfarrer noch Peter konnte ich in Finesterra antreffen. Bin zwar auch nur ein armer Schlucker gebe aber eine Packung Kekse ab und teile die vier Bananen.
In der Dunkelheit mache ich mich auf Richtung Finesterra, finde sieben Kilometer davor etwas über dem Meer, in einem Gemüsegarten, einen super Platz zum Zelten
Tag 100
Noch ganze 7 Kilometer bis Finesterra.
Ich packe mein Zelt ein und genieße 500 Meter weiter unten den Morgen am Sandstrand.
Mit einem Liter Kaffee intus, erreiche ich den Strand von Finesterra. Dahinter ein Kieferwäldchen, der mein Campingplatz für die kommenden drei Tage wird, neben dem Strand mit Duschen und Wasserhähnen zum Waschen und Wasserholen.
Durch Finesterra durch, an den Leuchtturm hoch zum Kilometerstein Null. Auf den Klippen ruhende Pilger. Kleine stinkende Feuerstellen. Hier verbrennt jeder zweite irgendwelche Klamotten, Schuhe oder sonstigen Kram den er loswerden soll.
Der Ort des wieder Treffens und des Abschieds. He, von den zwanzig Jungs und Mädels kenne ich die Hälfte. Die andere Hälfte kennt man über Geschichten des Radio Camino.
Hier oben treffe ich auch die verrückte Priska mit ihrem Fahrrad wieder. Inzwischen mit Timmi, einem weitern deutschem Kerlchen den ich unten im Ort getroffen habe.
Auch Timmi ist mit seinem Fahrrad hier gestrandet. Tim hat den kleinen Umweg übers Nordkap gemacht, und will genau wie ich nach Südafrika.
Unglaublich, ich habe ja damit gerechnet irgendwann mal
einen Wegbegleiter zu finden, aber ausgerechnet hier und das so im Spätherbst.
So gibt’s am Leuchtturm ein lustiges Treffen drei soo unterschiedlicher deutscher Radler wie sie nicht groß unterschiedlicher sein könnten.
Jeder ist in seinem Tempo seinen Camino bis hierher
geradelt.
Gemeinsam gehen wir in die Do Sol Herberge wo es für 5 Euro ein leckeres Pilger Menü mit jeder Menge Wein gibt.
Abends schlage ich mit Tim das Zeltlager am Strand auf.
Der Morgen beginnt mit Sonnenschein. Zum Frühstücken sitzen wir am Strand, jeder von uns hat Mengen an Müsli, Schoki und Obst. Es ist Mittag bis wir aufhören zu futtern. Alina ist hinter uns nach
Finesterra voreigeritten und beschwert sich mit Priska das wir noch nicht in der Do Sol Herberge sind. Sie kommt uns mit Luna am Strand abholen. An der Herberge treffen wir uns alle wieder und sind
inzwischen zu fünft. Anna, noch einer lustigen Pilgerin die hier schon vor einem Monat gestrandet ist und so etwas den Laden hier schmeißt, zeigt uns einen noch viel spannenderen Strand auf der
anderen Seite der Halbinsel. Die Wellen hier sind riesig im Gegensatz wo Timmi und ich lagern.
Es ist Anfang November, Tim, Alina und ich sind, mutig und trauen uns in die Wellen. He, egal wie kalt das Wasser sein mag, in dem Moment wo dich die Welle erfasst und für Sekunden rumwirbelt und unter Wasser zieht: danach ist dir warm. Alleine der Adrenalinschub wie dich der Sog zurück ins Meer zieht. Aber OK, ich glaube wir sind alle auch noch so ein bisschen gehyped das Ende des Caminos erreicht zu haben.
Zum Abend geht es mit Luna wieder an den Leuchtturm. Zum Kilometerstein 0, der Sonnenuntergang über dem Atlantik ein Traum und das Wetter spielt auch volle Kanne mit. Galicien; normalerweise bläst hier Wind und es regnet. Das Wetter was wir in den kommenden Tagen abbekommen werden.
Fröhlich geht’s vom Leuchtturm zurück Richtung Do Sol. Am Dorfrand kommen dann auch Alinas Ma mit Wohnmobil und Hänger aus Deutschland an.
Gemeinsam ein letztes Abendmahl. Dieses Mal hat Anna gekocht. Zu zehnt sitzen wir auf dem Boden und genießen Annas drei Gänge Menu mit noch einer Handvoll Pilger.
Alina sichtlich geschafft und glücklich. Luna ist ein
letztes Mal gut in einem Garten untergebracht. Morgen geht es Richtung Heimat. Aus dem Lagerfeuer und Freudentanz wird nix mehr. Priska kommt mit uns zweien raus zum Zelten an den Strand.
Bis Tim und ich Tags darauf wieder in der Do Sol auftauchen sind Alina, Luna, Ma und Priska schon wieder losgezogen.
Die Tage hier vergehen wie im Fluge. Mal kurz zum Leuchtturm hoch, nette Pilger treffen, Kaffee trinken und ein drei Gänge Menü abends in der Do Sol
He ich wollte doch meinen Blog schreiben, Biki etwas richten und meine Weiterreise über Portugal planen.
Das Wetter schlägt um, es wird windiger und regnerischer. Tim und ich verziehen uns an einen sichereren Ort. Anna hatte uns erzählt das in den Häusern über dem Strand schon öfter Pilger für eine längere Zeit gehaust haben.
Nie fertiggestellte Bauruinen, drei riesige Häuser, als Hotel oder Herbergen ausgelegt. Fertig gemauert. Dreietagig mit Betondach. Etwas windig weil keine Fenster und Türen da sind, dafür mit Traumblick über den Strand. Jetzt sind Tim und ich Hausbesetzer.
Anna hat nach 900 Kilometer pilgern die Schnauze vom wandern voll und will auch ein Rad.
In einer Allround Auto- Moped- Bastelwerkstatt finden wir ein vernünftiges Rad für 70 Euro.
Inzwischen gründen wir eine Hippie-WG in der Villa Kunterbunt über dem Strand. Feuer auf der Terrasse mit so manch einem Fresslager. Wenn das Wetter schon nicht mitspielt lassen wir’s uns gutgehen. Wir basteln, schreiben und gehen an den Strand.
Am zweiten Tag bekommen wir Besuch von einer französischen fünfköpfigen Familie.
Blandine und Arno, mit ihren drei Kindern. Für die drei Stöpsel ist das Haus ein spannender Kletterort. Die sind vor einem Monat mit ihren zwei Eseln hier angekommen und mieten ein Haus unten im Dorf.
Sechs Monate war diese lustige Familie hierher unterwegs. Mit den Zwei Eseln die jetzt auf einer Wiese unter unserer Strandvilla grasen.
Ich lackiere Annas neues Rad mit einer Sprühdose nicht ganz im gewünschten Gelb aber das Okkergelb tut auch seinen Dienst. Im Anschluss dürfen erst die drei Kids und dann wir mit Filzstiften bewaffnet den Rahmen bemalen. Eine echt witzige Idee, ich bin fast ein bisschen neidisch auf das inzwischen lustig bepinselt Rad.
Unser Gesprächsthema zwei ist unsere Verdauung, nicht nur ich kann über Schweiße schreiben.
Biene ist fast so gut drauf wie Hanne, eine Freundin aus Gießen, was Rülpsen betrifft, zu mindestens können Timmi und ich sie nicht mehr allzu sehr mit unserem Benehmen schockieren.
Nachts wird’s immer windiger, einige stürmische Nächte. Das ganze hat was magisches, der Wind und hinten dran das Meeresrauschen. Wir kuscheln uns in einem Schlafsack zusammen, um nicht auszukühlen. Timmi tigert rum, liegt in seinem Schlafsack und drei Flaschen Wein leicht schnarchender Weis neben Uns.
Mal traumhafte Sonnentage, einiges an Regen und stürmischen Nächte die wir hier ab bekommen. Zeit die ich mir hier nehme um den Jakobsweg Revue passieren zu lassen
Einfach nur eine geniale Zeit. Das ist der Camino, jeder
macht hier seine eigene Geschichte. Einfach ganz anders als alle anderen Wege auf denen ich unterwegs war. Oft auch mal angenervt und angepisst von dummen Pilgern, aber dann eben die vielen tausende
tollen Menschen und Geschichten.
Dieser Weg mag im Sommer sicher völlig überlaufen sein, selbst zu dieser doch recht unbequemen Jahreszeit noch verdammt viele Pilger. Zu dieser Jahreszeit sind deutlich spannender nicht nur
Schönwetterpilger unterwegs
Für alle meine Freunde: probiert es aus und erlebt diesen Weg wenn ihr Lust und Muse habt.
Nur meidet die Sommermonate zu Zeiten wo der Weg wohl eher einer Polonaise gleicht.
Vielleicht wird ja der eine oder andere auch mal zum Nachtschichtpilger oder von der einen oder andern Bedbug gebissen
Yakyakyak
Adventure is out there!
Johannes